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Der Ernst-August-Stollen im Oberharz.
(Gedenkblatt zu seiner Vollendung vor 70 Jahren.)
Von H. Morich-Clausthal.


     Am Schützenplatze bei Gittelde steht inmitten freundlicher Anpflanzungen vor den letzten Ausläufern des Harzgebirges ein mit Türmen und Zinnen geschmückter Portalbau, der die weithin leuchtende Inschrift trägt:

Ernst-August-Stollen[WS 1].

Darunter befinden sich die Namenszüge des Königs Ernst August, unter dem der Stollen begonnen, und des Königs Georg V., unter dem er vollendet wurde, beide mit der Königskrone.

     Wir stehen am Mundloche des genannten Stollens, der das Grundwasser aus den Oberharzer Gruben hier zu Tage führt. Ein starker Strom kommt uns entgegen, dessen Wassermenge je nach der Jahreszeit 30–60 Kubikmeter in der Minute beträgt. Mit freudigem Rauschen begrüßt er das Tageslicht und eilt geschwätzig zur Söse.

     Eine grußeiserne Tafel, die in der Portalnische angebracht ist, kommt ihm zu Hilfe. In goldenen Buchstaben enthält sie folgende Angaben über den Stollen:

Die Länge desselben vom Mundloch bis zum Schreibfeder-Schachte bei Zellerfeld beträgt 5432 Lachter.
Angefangen am 21. Juli 1851 und vollendet am 22. Juni 1864.
Die ganze Länge des Stollens mit Einschluß der tiefen Wasserstrecke, der Flügelörter und Schachtquerschläge beträgt 11819 Lachter oder 3 deutsche Meilen.
Der Stollen bringt auf der Grube Caroline 204 Lachter oder 1341 hannov. Fuß Teufe ein.
Die Sohle des Mundlochs liegt 1296 Fuß unter dem Marktplatze zu Clausthal und 646 Fuß über dem Spiegel der Nordsee.

     Wie schon diese zahlen andeuten, haben wir in dem Ernst-August-Stollen[WS 2] ein Riesenwerk vor uns, das von der Tatkraft und Beharrlichkeit des Harzer Bergmanns sowohl wie von der Gediegenheit und Großartigkeit des Oberharzer Bergbaues ein bededtes Zeugnis ablegt. In der Vollendung dieses Stollens vor 70 Jahren, als am 22. Juni 1864 der letzte Durchschlag erfolgte, erblickte der Harzer Bergbau seine zukunft gesichert, fühlte er sich doch nun von den Fesseln befreit, die ihn bis dahin drückten und seine freie Entwicklung hemmten.

     Deshalb war der Bau des Ernst-August-Stollens[WS 3] ein Ereignis von so hoher und einschneidender Bedeutung, daß man mit seiner Vollendung den Beginn einer neuen glücklichen Zeit für den Oberharzer Bergbau begrüßte. Die Grundbedingung für seine weitere Existenz und Ausdehnung war geschaffen, und die Saat, welche das damalige Geschlecht, fortbauend auf dem treuen Schaffen und Mühen der Vorfahren, für sich und seine Nachkommen gesät hatte, war prächtig aufgegangen und hatte reichliche Früchte getragen.

     Von allen Sorgen, die sich beim Harzer Bergbau im Laufe der Jahrhunderte einstellten, waren diejenigen um die Befreiung der Gruben von den andringenden Grubenwassern die größten. Schon bald nach der Wiederaufnahme des Bergbaues im 16. Jahrhundert stellte es sich heraus, daß die mechanischen Hilfsvorrichtungen zur Hebung der Grundwasser nicht mehr ausreichten und daß man zur Anlage von Abzugsstollen schreiten mußte. Die ersten waren nur klein; sie wurden am Bergeshang in der Nähe der zu entwässernden Grube angesetzt und hatten meist nur für diese eine Grube Bedeutung. Im Laufe der Zeit wurden sie aber immer weiter in die Grubenreviere hinheingetrieben, so daß der Bergbau, unterstützt von Betriebskräften durch großartige Teich- und Grabenanlagen, etwa 200 Jahre ungestört fortgesetzt werden konnte.

     Als um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Grubenbaue mehr in die Tiefe vorrückten, wurde es immer schwieriger, der Grundwasser dauernd Herr zu werden. Wollte man den Bergbau weiter betreiben, so mußte man den Gruben durch einen tieferen Stollen Hilfe bringen. Diese Erkenntnis führte im Jahre 1777 zum Bau des Tiefen Georgstollens, der 1799, also in 22 Jahre, vollendet wurde. Er geht von Grund aus, wo sein Mundloch in der Nähe des Bahnhofes 290 Meter über dem Spiegel der Nordsee liegt, in die Grube des Clausthaler, Zellerfelder und Bockswieser Reviers, streicht in einer Tiefe von rund 180 Meter unter der Marktkirche der Stadt Clausthal hindurch und besitzt eine Länge von 20.500 Meter oder 2⅔ deutsche Meilen. Wohl hatte man erwogen, ihn noch tiefer zu legen und sein Mundloch im Lerbacher Tale oder bei Lasfelde am Rande des Harzes anzusetzen, doch ließ man diesen Plan fallen, weil seine Ausführung zu schwierig schien und zu lange Zeit in Anspruch genommen haben würde.

     Inzwischen hatte sich die Notwendigkeit herausgestellt, etwa 115 Meter unter dem Georg-Stollen eine sogenannte Tiefe Wasserstrecke anzulegen, die seit 1803 die Verbindung zwischen den Clausthaler und Zellerfelder Grubenrevieren herstellte und zur Konzentration der Wasser diente. Die Grubenwasser aus den noch tiefer liegenden Bauen führte man durch Wasserradpumpen (Radkünste) der Tiefen Wasserstrecke zu, von der aus die gesamten Grundwasser auf den

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fehleden Bindestrich eingefügt
  2. Fehleden Bindestrich eingefügt
  3. Fehleden Bindestrich eingefügt