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Dort warteten ihm Köhler mit ihrer Suppe auf, in die sie diesmal etwas mehr Schmalz getan hatten als sonst.

     Der König hatte einen Adjutanten untergefaßt. Er schritt sicher und aufrecht, das edle und vornehme Gesicht nach oben gerichtet. Unterwegs sprach er mit einem Fuhrmann, der in seinem weißen Kittel nebenherging. Wie unsereiner ein Kind gewöhnlich zuerst sagt: In welche Schule gehst du? so fragten die Fürsten jeden jungen Mann: In welchem Regiment hat er gedient? Das war auch die leutselige Unterhaltung des Königs mit dem Fuhrmann.

     Als wir abends mit Hoch- und Hurrarufen durch die Walddörfer Ober- und Unter-Schulenberg fuhren, stellten die armen Leute ihre Talglichter in die Fenster, da sie uns für den Königlichen Zug hielten.

     Die wunderbarste Feier wurde dem Blinden von dem Balkon des Amtshauses in Clausthal geboten. Jedesmal wenn eine Fürstlichkeit oder ein Minister den Harz besuchte, ehrte sie die Knappschaft mit einer Aufwartung.

     Auf dem geräumigen Marktplatz zwischen der eigentümlich anheimelnden hölzernen Kirche und dem langgestreckten kahlen Amtshaus zogen mehrere tausend Bergleute mit grünem Schachthut, schwarzem Kittel, blankem Hinterleder und hohen Gamaschen, das brennende Grubenlicht am Daumen in Reih und Glied auf. Dazwischen Pocharbeiter mit ihrem Gerät, dann die Hüttenleute mit breitrandiger Mütze, in weißem Hemd mit gelbem Schurzfell, die brennende Fackel in der Hand. Das Bergmusikkorps blies. Die Knappen sangen:

Glück auf, ihr Bergleut, jung und alt

Ein hoher Beamter versicherte dem König die Liebe und Treue seiner Harzer. Ein brausendes Hoch rauschte zu ihm empor. Die Lichter leuchteten, wie wenn Tausende von Sternen auf den Marktplatz gefallen wären. Und nun kam das Schönste für uns Jungen.

     In einem Dachfenster des Amtshauses blitze ein Licht auf, und sofort knallten mehr als hundert Peitschen, die gut eingeübt waren, ihren Fuhrmannsgruß los. Dieses Klitsche Klatsche – das war der Text – erschien uns wie die wunderbarste usik. Die Bergfuhrleute standen in ihren Schirmmützen, schneeweißen langen Kitteln und langen grauen Gamaschen, nördliche von der Kirche in tiefstem Dunkel. Das war doch noch geheimnisvoll, so ganz anders wie die Leute da draußen im grellen Licht. Wenn die Laterne da oben im Amtshause eingezogen wurde, verklang das Peitschenkonzert, wie ein gut geriebener Salamander, scharf und knapp. Für uns war damit der Höhepunkt vorüber.

     Der König redete noch, ich weiß aber inht was. Wieder Musik, Gesang, Hoch rufen, und der Zauber verschwand.

     Was für eine Komödie! Immer wieder hörte ich, wie ein Bergmann zum andern sagte: „Dar arme Karrel! Von all dan Gelächt kanner nicht sahn“.

     Die Königin Marie, zu deren Ehren der Schacht seinen Namen erhielt, war auch in Clausthal anwesend. Der Kronprinz, 14 Jahre alt, gewann schnell die Zuneigung der Leute. Er sollte auf dem Marktplatz eine Ziege bei den Hörnern gefaßt und dafür Stubenarrest erhalten haben. Solch ein Junge! Wenn der erst auf dem Throne säße!

Ein unverfälschter Harzer.

     Vorläufig spielte ein Pucher, ein Pochjunge mit ihm. Die Bergbehörde hatte den Kronprinzen ein kunstvoll gearbeitetes Pochwerk geschenkt, der Pucher sollte es ihm erklären. Als der Junge nun die Kurbel drehte, und die Pochstempel im Takte schwer niederfielen, sagte die scherzhaft aufgelegte königliche Hoheit zu ihm: „Steck doch mal den Finger darunter!“

     „Nä,“ lachte der Junge, „denn isser im ......“. Ich kann das Wort nicht schreiben, aber es lief von Mund zu Mund, und jeder freute sich, daß der zukünftige Herrscher einmal einen unverfälschten Harzer gehört hatte.

     Als der König Clausthal verließ, hatten wir uns oben an der Buntenböckerstraße – er wollte nach St. Andreasberg fahren – aufgestellt. Ein altes Harzweib rief:

     „Ach, Harr Kenig, kumme Se doch balle mol wieder!“

     „Ja, ja, ich komme wieder!“ entgegnete er, in dem er sich im Wagen aufrichtete.

     Er ist nie wiedergekommen.