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Ein neues Lied auf eine alte Weise.


     „Glückauf, ihr Bergleut’ jung und alt,“ –
Wir fangens wohlgemut,
Als noch des Schlägels Schlag erschallt,
Das Eisen nicht geruht.

5
Nun hat der schwarze Kittelmann

Gezäh und Leder abgetan,
Und nie mehr tönts vom Schacht herauf:
Glückauf, Glückauf, Glückauf.

     Die letzte Schicht ward längst verfahrn,

10
Die Tonne saust nicht mehr.

Kein Bohrer schrillt, es rollt kein Karrn,
Kein Anbruch leuchtet her,
Daß unser Aug’ am Glanz sich freu
Von Silber, Blende und vom Blei, –

15
Wie kläng’ da unser Ruf hinauf:

Glückauf, Glückauf, Glückauf.

     Der Väter Erbe ging zu Bruch, –
Kamrad, lösch das Geleucht.
Auf Gottes Segen fiel ein Fluch,

20
Es Stürzen Schacht und Stollen ein,

Wir gruben unser Herz darein,
Und trauernd ziehn wir fort zu Hauf:
Glückauf, – Glückauf, – Glückauf.

     Doch seht, die Tanne grünet noch,

25
Am Berg rauscht stoz der Wald.

Es blieb uns unsre Heimat doch,
Vom Hirtenhorn durchhallt,
Es blieb die alte Bergmannstreu! –
Der Heimat schwör’n wir sie aufs neu

30
Und reichen uns die Hände drauf:

Glückauf, Glückauf, Glückauf.




Wo die Oder rauscht.
Von Hermann Löns. †.


Es war eine Liebe auf den ersten Blick. Auf Anhieb verschoß ich mich in sie, in die lustige Tochter eines ernsten Vaters, in die sprudelnde, springende, lustige, Launenhafte Oder, des finsteren Blocksbergs fideles Kind. Ich sah aus dem Brockenmoore heraussickern, wo das Wollgras seine Silberfahnen schwenkt, ein wildes kleines Ding. Dann trafen wir uns bei Oderbrück, wo man den frechen Backfisch eine ungeheure steinerne Schnürbrust anlegte, damit er hübsch artig und fleißig sei und in den Gruben von St. Andreasberg den Bergleuten helfe. Aber ganz bändigen ließ sich die Kleine nicht, der Wildfang sprang bald wieder ohne Schuhe und Strümpfe und Korsett über moosige Steine und algenbedeckte Blöcke talab, daß die ernsten Fichten ganz verwundert die Köpfe schüttelten.

     So lustig sie ist, kann sie auch mächtig ernst sein. Wenn sie so ihren Zug kriegt, dann schlägt sie alles kurz und klein. Gerade dem Bahnhof Scharzfeld gegenüber lag ein festes Mühlenwehr, aus Stämmen, Flecktwerk und Steinen mühsam in monatelanger Arbeit von vielen schwieligen Fäusten aufgebaut. Jahrelang hat die Oder sich dieses Hemmnis gefallen lassen. Auf einmal aber wurde es ihr zu dumm, und im letzten Frühling wischte sie es weg, und der Müller kann sich nun wieder monatelang abquälen, bis er wieder ein neues Wehr fertig hat.

     Von diesem Wehr Flußabwärts bis eine Wegstunde hinter Schwarzfeld konnte ich angeln, aber ich begnüge mich mit der Ecke vom Wehr bis zur Brücke, soweit der Bergabhang vom Kirchholz bedeckt ist, von diesem Holz, in das ich mich auch gleich Knall und Fall verliebte, trotz seines geringen Rehbestandes, in daß ich mich verschoß über Hals und Kopf wegen seiner heimlichen Klippenecken und Felswinkel, wegen seiner seltsamen, zwischen Blöcken und Quadern sich herauswindenden Fichten und Buchen und wegen seines Überreichtums an schönen und seltenen Blumen. Im Schatten glänzt die Haselwurz, da Steht steif und stolz die goldbraune Vogelnestwurz und krumm und gebückt der leichenfarbige Fichtenspargel, weiße Orchideen leuchten im finsteren Stangenort, um dessen Stämme die Waldrebe ihre zähen Taue zieht. Hinter der Brücke, da sind die Ufer kahl, da lockt es mich nicht hin. Zwischen Wehr und brücke bleibe ich.

     Es ist schwül und drückend heute morgen, und die Sonne sticht. Da wird sie beißen, die Forelle. Oben am Wehr beginne ich, da wo zwischen den glucksenden, strudelnden, sprudelnden Wassern eine Klare grüne Stelle ist. Im Schatten der Eller, deren Blätter in der Julisonne metallisch glänzen, mache ich die Angel fertig. Einen Augenblick sehe ich den Bachstelzen zu, die auf dem Ufergeröll Fliegen jagen, dann lasse ich die künstliche Fliege auf die glatte, grüne Stelle fallen, und hole sie mit zitternder Handbewegung zu mir heran. Wie ein lebendes Insekt tanzt Sie über das Wasser. Schon ist sie dicht an den überspülten Ufersteinen, da schießt ein blankes Ding heran, hascht nach ihr und verschwindet als silberner Blitz wieder in den Kolk. Wieder fällt die Fliege auf den grünen Spiegel, und noch einmal, und dann platscht es, und ich rucke an.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Schaltjahr 1932. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1932, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1932.pdf/30&oldid=- (Version vom 3.10.2019)