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und in der Stadt San Joze angesiedelt. Ihnen folgten im Herbst 1830 weitere 23 Harzer Bergleute, die von der allgemeinen Bergwerksgesellschaft zu London angeworben waren. Einige hatten ihre Frauen mitgenommen und einer seine ganze Familie. Unter den Harzern, die im folgenden Jahre dorthin übersiedelten, befand sich der Einfahrer Wilhelm Hartleben, der von einer englischen Gesellschaft als Bergwerks-Direktor in Brasilien angeworben war.

     Die seit dem Jahre 1827 namentlich aus Spanien und England auf den Markt geworfenen gewaltigen Bleimengen verursachten ein solches Sinken der Bleipreise, daß der Harz nicht mehr konkurieren konnte und deshalb eine Verminderung des Personals vorsehen mußte. Dagegen trat in jenen Jahren eine solche Vermehrung der Bevölkerung ein, daß der Harzhaushalt sie nicht alle beschäftigen konnte. Unter diesen Umständen war der Berg-Behörde die Auswanderung nicht unwillkommen, und sie erteilte deshalb die erbetene Erlaubnis gern. Die von der englischen Gesellschaft angenommenen Auswanderer mußten Zeugnisse über ihre Geschicklichkeit und ihr Betragen beibringen und sich auf wenigstens 5 Jahre verpflichten. Die Reisekosten übernahm die Gesellschaft. Junge Leute, die ihrer Kriegsdienstpflicht noch nicht genügt hatten, wurden nur dann angenommen, wenn sie sich ganz besonders auszeichneten; die Gesellschaft verschaffte ihnen in diesem Falle einen Stellvertreter.

     Nach dem großen Brande vom 15. September 1844, der in Clausthal ganze Straßenzüge in Asche legte, wurde die Auswanderungslust wieder besonders rege. Der Zug ging 1845/46 nach Texas in Nord-Amerika, vorwiegend aber nach Süd-Australien, wo die Engländer in Adelaide eine neue Kolonie gegründet hatten. Die dortigen Verhältnisse wurden in den Briefen von Harzern, die nach Süd-Awstralien ausgewandert waren, sehr günstig geschildert, so daß die Abwanderungen nach jenen verlockenden Gefilden einen größeren Umfang annahmen. Dabei müssen wohl manche der Auswanderer sich ihren heimatlichen Verpflichtungen entzogen und ohne Abschied das Weite gesucht haben, worüber Beschwerden bei der Berghauptmannschaft einliefen. Dieselbe verfügte deshalb am 10. Juli 1846 zur Verhütung der dadurch entstehenden Nachteile, daß ein jeder, der auszuwandern beabsichtigte, dies 4 Wochen vor seiner Abreise in der Gemeinde seines Wohnortes öffentlich bekannt zu machen habe, und daß die Pässe zur Reise seitens der betreffenden Obrigkeiten des hiesigen Verwaltungsbezirks nur dann auszustellen seien, wenn eine solche Bescheinigung vorliege.

     Nach Süd-Australien wanderten bis 1848 etwa 150 Harzer aus, und auch nach Amerika waren bis dahin die freiwilligen, nicht weiter begünstigten Auswanderungen herrschaftlicher Arbeiter nicht unbedeutend gewesen; aber sie standen offenbar mit der Zunahme der Bevölkerung in keinem genügenden Verhältnisse. In Ermangelung eines Führers hatten viele Auswanderer ihr Ziel verfehlt und waren untergegangen oder bald heimgekehrt. Die Verhältnelie im Harzer Bergbau hatten sich inzwischen so ungünstig gestaltet, daß man sich um die Ernährung der Bevölkerung in großer Sorge befand. Bergarbeiter, welche auf ihrer Hände Arbeit angewiesen waren, verdienten hier kaum so viel, daß sie sich und ihre Familien ernähren konnten, und die Auswanderrungswilligen waren zum Teil so mittellos, daß selbst Beihülfen sie nicht in den Stand setzen konnten, ihren Wunsch zu erfüllen.

     Die Bergbehörde nahm deshalb auf Anregung des Oberbergrats von Grote und mit Zustimmung des Finanz-Ministeriums in Hannover 1848 die Leitung der Auswanderungen selbst in die Hand und hielt nach verschiedenen Gutachten und Verhandlungen Süd-Australien für die geeignetste Kolonie zur Ansiedelung der Harzer. Das Finanz-Ministerium bewilligte die dafür aufzuwendenden Kosten und setzte sich mit den Konsul Meyer in Port Adelaide, damals in Bremen, in Verbindung, damit die Expeditionen richtig geleitet und die Auswanderer in Süd-Australien sicher untergebracht wurden. Außer den Reise- und Überfahrtskosten wurden auch die Schulden und Ausrüstungskosten aus öffentlichen Kassen bezahlt, und bei der Ankunft in Adelaide erhielt jeder ein Handgeld von 5 bis 10 Taler. Die Beihilfen sollten nicht nur den herrschaftlichen Arbeitern, sondern auch den übrigen Bewohnern des Harzes auf ihr Ansuchen bewilligt werden. Dagegen mußten sie ausdrücklich auf jeden ferneren Anspruch auf Beschäftigung bei dem Harzhaushalte Verzicht leisten.

     Und nun begann eine Massenauswanderung, die vom Harze mindestens 2.000 Personen nach überseeischen Ländern geführt hat. Von 1848 bis 1854 wurden allein nach Süd-Australien 12 Expeditionen mit über 1.100 Personen geleitet, die einen Kostenaufwand von rund 72.000 Taler verursacht haben. Die ersten Expeditionen gingen von Bremen und die übrigen von Hamburg aus. Die Überfahrt dauerte durchschnittlich 120 Tage und kostete für jede Person über 12 Jahr 66¾ Taler, von 1853 ab aber 120 Taler. Für Kinder wurde die Hälfte gerechnet, und Säuglinge waren ganz frei. Während der Reise erhielten die Passagiere volle Beköstigung und in Krankheitsfällen freie Medizin. Mit Matratzen, Decken, Löffel, Messer, Gabeln und blechernen Kochgeschirren mußten sie sich auf eigene Kosten versehen, doch wurden ihnen diese Sachen auch für 3 Taler aM Bord geliefert. Auf dem Schiffe hatte jeder 20 Kubikfuß Bagage frei.

     In Süd-Australien fanden die Harzer alle eine freundliche Aufnahme und gute Beschäftigung, namentlich