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Neujahrsgebet.
Von Emanuel Geibel, 1848/49.


Herr, in dieser Zeit Gewog’,
Da die Stürme rastlos schnauben,
Wahr’, o wahre mit den Glauben,
Der noch nimmer mich betrog.

Der noch sieht in Nacht und Fluch,
Eine Spur von deinem Lichte,
Ohne den die Weltgeschichte
Wüster Greuel nur ein Buch;

Daß wo trostlos unbeschränkt
Dunkle Willkür scheint zu spielen,
Liebe doch nach ew’gen Zielen
Die verborg’nen Fäden lenkt;

Daß, ob wir nur Einsturz schau’n,
Trümmer, schwarz vom Brande,
Doch schon leise durch die Lande
Waltet ein geheimes Bau’n;

Daß auch in der Völker Gang
Wehen deuten auf Gebären,
Und wo Tausende weinten Zähren,
Einst Millionen singen Dank!

Ja, daß blind und unbewußt
Deiner Gnade heil’gen Schlüssen
Selbst die Teufel dienen müssen,
Wenn sie tun nach ihrer Lust.

Herr, der Erdball wankt und kreist;
Laß, o laß mir diesen Glauben,
Diesen starken Hort nicht rauben,
Bis mein Geist dich schauend preist.