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aber voll edlen Trotzes und Stolzes entfernte sie sich.

     Doch der Ritter holte sie zurück und trat vor den Maler. Scharf, streng und ruhig sprach er: „Ich bin ein Mann von der alten Art, und Ihr feinen jungen Herren wißt wohl besser zu leben wie ich. Eines aber sage ich Euch: „Wenn ich mich verliebt hätte, dann wäre ich nicht so blind ins Zeug gegangen. Aber wenn ich einmal einem ordentlichen Mädchen mein Wort gegeben, dann hätt’ ich’s ihr auch gehalten, selbst wenn ich hinterdrein erfahren hätte, daß sie statt eines Fräuleins bloß eine Kammerjungfer wäre!“

     Diese Rede brachte den Maler wieder zur Besinnung. Er blickte auf die arme Susanne, die größer und vornehmer dastand als er selber. Nein! Ein solches Wesen konnte ihn nicht so durchtrieben betrogen haben! Und zugleich fiel ihm ein, daß sie sich doch niemals des Ritters Tochter genannt, von ihm vielmehr immer nur als von dem Herrn gesprochen hatte. Es wurde klarer vor seinen Sinnen. Er selbst hatte sich betrogen und im stürmischen Brausen seiner Leidenschaft völlig überhört, was ihn auf die richtige Spur leiten mußte. Nach Künstlerart hatte er sich ausgedichtet und ausgemalt, was er sehen wollte, nicht was er sah.

     Nun aber durchzuckte ihn auch die Reue über das unsägliche Leid, welches er Susannen in dieser Stunde angetan. Er begehrte nur einen Augenblick allein mit ihr zu reden. Sie weigerte sich dessen anfangs, doch gab sie nach, und sie zogen sich zurück.

     Der Ritter betrachtete inzwischen die letzten, frisch gemalten Nothelfer. Bei einem der Bilder schüttelte er den Kopf sehr bedenklich.

     Als Konrad und Susanne wieder vortraten – der Augenblick hatte fast eine halbe Stunde gewährt – da hielten sie sich Hand in Hand, nicht ganz so fest wie zum erstenmal am Sprechgitter und doch viel fester. Sogar dem alten Herrn ward es weich ums Herz, da er den beiden ins Gesicht blickte, und er legte selber Fürsprache ein beim Torwart, daß er sein Standesvorurteil gegen die Maler überwinde. Was der Herr begehrte, das konnte der Diener nicht verweigern. Er legte seine knochige Hand oben auf die verbundenen Hände der Liebenden. Es war fast rührend anzusehen.

     In den Romanen denken die Helden bei jedem Hauptmoment genau, was sie denken sollen. Im Leben aber ist das oft ganz anders. Als Konrad ben segnenden Händedruck des unerwarteten Schwiegervaters fühlte, warf er trotz allen Sturmes der Empfindung einen vergleichenden Blick auf den Vater, welchen er als frühstückenden Satyr, und auf die Tochter, welche er als Heilige gemalt. Und er dachte bei sich: die längst verstorbene Mutter Susannens müsse wohl noch schöner wie eine Heilige, sie müsse geradezu engelschön gewesen sein, daß kraft ihres unendlichen, Überschusses der Schönheitsgnade ein solcher Vater dennoch zu einer solchen Tochter habe kommen können. (Es ist manchmal gut, wenn man die Schwiegereltern erst nach der Verlobung kennen lernt, besonders für Maler).

     Nun aber kam der Ritter noch mit einem schweren Bedenken. Er hob die neue Tafel der heiligen Katharina gegen das Licht und rief: „Das ist gar nicht die rechte Katharina, sondern die Jungfer Susanne! – ganz aus dem Gesicht geschnitten! Die Tafel lasse ich nicht gelten! Soll ich unsere ehemalige Kammerjungfer meiner Familie und meinen Dienstleuten in der Burgkapelle zur Anbetung aufstellen? Hättet ihr noch meine wirkliche Tochter mit dem Marterrad gemalt, so ließe sich darüber reden. Es ist noch vierzehn Tage bis Sankt Leonhard: Ihr müßt eine neue Tafel machen!“

     Der Maler erklärte, daß er mit Freuden das Bild zurücknehme, sein bestes Gemälde, Frucht und Zeuge seiner seligsten Stunden. Und wenn der Riiter es durchaus wünsche, daß er seine Tochter unter die Nothelfer male, so wolle er ihm auch dies, aber auch nur dies noch zu Gefallen tun.

     Auf ein drittes aber ging Konrad durchaus nicht ein. Er behielt das Bild und malte keine neue Heilige. Leonhardstag kam, der Künstler war gar nicht mehr zu haben; er rüstete sich eben in der Stadt zur Hochzeit, und um ein Haar wären es jetzt doch bloß 13 Nothelfer gewesen. Da nahm der entschlossene Ritter kühnen Griffes jene mit dem Borstpinsel gemalte heilige Katharina, die noch unversehrt in der Eđe stand, und reihte sie zu den dreizehn in der Kapelle.

     Spätere Geschlechter hielten dieses Gemälde wegen seiner abscheulichen Malerei für ein ganz uraltes und darum besonders weihevolles Stück, und so kam es in den Ruf eines Mirakelbildes und genoß der allgemeinen Verehrung bei allem Volke. Die dreizehn anderen Bilder sind zur Revolutionszeit in verschiedene Galerien gewandert, aber die heilige Katharina hängt noch immer, von brennenden Kerzen umgeben, in der Burgkapelle.

     Konrad Lenz lebte überaus glücklich mit seiner Susanne, und an ihrem goldenen Hochzeitstage schmückten blühende Enkel mit frischen Kränzen das Kunstheiligtum des Hauses, die andere Tafel der heiligen Katharina, das wundervolle Brautbild ihrer Großmutter.