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     Schon war es ihm undenkbar, daß er die Burg wieder verlassen könne, ohne mit Susanne verlobt oder noch besser, gleich verheiratet zu sein. Hier aber kreuzten sich zwei grundverschiedene Gedankenzüge.

     Er liebte Susanne so heftig, wie nur je so ein stürmischer Wildfang ein Mädchen lieben konnte, welches er bereits zweimal gesehen und gesprochen, und er wollte sie gewinnen, weil er sie liebte.

     Er wollte sie aber auch gewinnen, um ihren Vater mit dem letzten Trumpf zu strafen. Der Alte hatte ihn überlistet und eingesperrt, um ihm die Bilder abzuzwingen. Dafür überlistete jetzt der Gefangene den Alten und zwang ihm sein köstliches Kleinod ab, die so wohl verwahrte Tochter. Einen Goldmacher kann man hinter Schloß und Riegel leben, aber wenn man einen jungen Maler und ein junges Mädchen einsperrt, dann befreit zuletzt der Maler sich selbst und das Mädchen dazu!

     Mit diesem Doppel-Triumphlied der Liebe und der Rache begann er eine ganze neue Tafel für die heilige Katharina zu grundieren.

Ⅴ.

     Die hilfsbereite Susanne kam wieder und setzte sich zum Plaudern vor das Fenstergitter, welches sie nach köstlicher Redeweise das „Sprechgitter“ nannte. Da sich kein Mensch in der Burg dem verwilderten Gärtchen nähern durfte, damit der Maler vor Zerstreuung bewahrt bleibe, so war ihr Verkehr ganz sicher.

     Die ersten Tage brachten warmes und heiteres Wetter; Susanne konnte stundenlang da sitzen, ohne sich zu erkälten. Konrad malte äußerst langsam an seiner Katharina, auf daß sie ja recht trefflich geriete.

     Im September dagegen kam Regen und Nebel. Für die nassen Tage hatte sich der Maler den heiligen Erasmus samt den anderen Männergestalten aufgespart. Susanne erschien nicht. Aber der Regentage wurden ihm zu viele, und er entdeckte, daß er die Männer schlechter male, wenn ihn die Jungfrau nicht durch ihre anmutige Gegenwart begeisterte.

     Notgedrungen mußte sie darum auch im Regen kommen. Ja, die Regentage wurden die allerschönsten. In ein großes Tuch verhüllt – Regenschirme waren noch nicht landesüblich – schwang sich Susanne auf die Fensterbrüstung, denn sonst hätte sie unter der Dachtraufe gestanden, und drückte sich ganz hart ans Gitter, um nicht herunterzufallen. Da gab’s sichs dann sehr natürlich, daß ihr der Maler bei einem Platzregen der ersten Kuß raubte.

     Sie war fast immer heiter, schalkhaft, ihre sonnige Laune paßte so recht für den fröhlichen Jüngling und beide beteuerten sich bald gegenseitig, daß sie füreinander geboren seien und einander verbleiben müßten immer und ewig; auch konnten sie sich’s schon gar nicht mehr denken, daß es einmal eine Zeit gegeben habe, wo sie sich noch nicht gekannt.

     Konrad hatte sich’s im Grund etwas schwieriger gedacht, die Liebe eines so vornehmen Fräuleins zu gewinnen. Doch das kam wohl alles von ihrer abgesperrten Jugend; die Vögel, welche man am strengsten im Käfig hält, fliegen am liebsten davon. Und Susanne hatte noch nichts von der Welt gesehen, als das benachbarte Reichsstädtchen; Konrad aber versprach ihr, sie weit in die Welt mitzunehmen, sogar über die Alpen bis nach Rom und Venedig.

     Nur in einigen Dingen war sie gar altmodisch streng. Aus lauter Ehrfurcht wagte sie kaum von ihrem Vater zu reden; sie schien sich ihn vielmehr als ihren Herrn und die Mutter als ihre Gebieterin zu denken, so recht nach urväterlicher Sitte; sie nannte ihn mitunter geradezu den Herrn von Haltenberg, wie ja auch die Ehefrauen vordem ihren Gemahl als Herrn bei Titel und Namen zu nennen pflegten.

     Nachdem die beiden am Sprechgitter ihre Liebe völlig ins reine gebracht, beredeten sie das Heiraten. Da verhehlte nun Susanne nicht, daß ihr Vater großes Bedenken gegen den Stand des Malers hegen werde; die Künstler stelle er nicht besonders hoch, und den hier im Alchimistenkäfig eingesperrten halte er für einen lockeren Vogel. „Das sind nun Standesurteile,“ meinte Susanne, „über welche ich selber völlig erhaben bin.“ Ja, es dünke ihr sogar ein feinerer Beruf, schöne, fromme Bilder zu malen, als eine alte Burg zu hüten, die seit Menschengedenken niemand angegriffen habe. Der Maler war entzückt, daß das Fräulein so gescheit sprach, und bestärkte sie in ihrer erleuchteten Ansicht.

     Inzwischen rückte der Herbst immer weiter vor; Konrad beschleunigte seine Arbeit, denn die Jahreszeit ward nachgerade etwas zu kalt für die künstlerischen Anregungen am offenen Fenster. Und so vollendete er denn die sämtlichen Gemälde wirklich noch vierzehn Tage vor dem Termin, und die letzten Tafeln waren schöner als die ersten, die heilige Katharina aber das weitaus schönste Bild von allen.

     Der Tag des Triumpfes und der Rache erschien. Am 23. Oktober ließ Konrad Lenz dem Herrn von Haltenberg sagen, der letzte Nothelfer habe den letzten Pinselstrich erhalten, und wenn sich der Ritter des Nachmittags in die Halle bemühen