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ein Einfall durch den Kopf. War es nicht gescheiter, er malte dies echte, greifbare Stück Natur, was da vor ihm saß, statt dem Luftgespinste eines Frauenbildes nachzusagen, welches er doch niemals mit dem Pinsel fassen konnte? Gesagt, getan! Ganz wie von selbst gestalteten sich ihm die verweiterten Züge des alten Torwartes auf der verdorbenen Tafel. Und als erst nur einmal die Umrisse feststanden, mischte er sich mit wütendem Eifer eine ganz neue Palette und begann naß in naß alla prima zu malen. Er befahl dem Torwart, ganz fest sitzen zu bleiben, und dieser tat es auch mit komischem Zwange; denn er glaubte, daß gehöre mit zu seinem Auftrag. Dagegen war kein Wort aus ihm herauszubringen; sein Herr hatte ihm strenge eingeschärft, der Künstler nicht durch Unterhaltung zu stören.

     Höchst naturgetreu brachte Lenz sein neues Modell auf die Tafel, nur verlängerte er dessen Ohren etwas eselartiger, ließ ihm ein Paar kleine Hörner zwischen dem wolligen Haare hervorschieben, verwandelte die engen Lederhosen in Bocksfüße und setzte hinten seitwärts ein allerliebstes Schwänzchen an. Und so hatte er bis zum Abendläuten einen frühstückenden Satyr fertig und war glückselig in dem Bewußtsein, doch endlich; wieder einmal mit rascher Hand ein Bild vollendet zu haben.

     Er erschrak gar nicht, als ihm im Augenblicke, wo er eben den Pinsel weglegte, der Ritter auf die Schulter klopfte. Vor lauter Schöpferjubel hatte er ihn gar nicht kommen hören.

     „Ihr erscheint zur rechten Stunde!“ rief er und zeigte ihm das neue Bild und versicherte, es gehöre zum Besten, was er gemalt; nun werde der Herr Ritter doch gestehen, daß er auch rasch eniwerfen und ausführen könne, wenn es gelte.

     Allein der wunderliche Mann hatte gar kein Verständnis für diese Meisterprobe; er donnerte und weiterte und nannte den Maler einen Narren, der schon wieder einen Tag verloren und nun gar einen Waldteufel statt der heiligen Katharina gemalt habe.

     Lenz mußte laut auflachen, die Tränen traten ihm in die großen blauen Augen, und er sah und lachte dem Ritter so herzlich ins Gesicht, daß dieser mitlachen mußte, obgleich er mit aller Gewalt den Mund zusammenbiß. Das verdoppelte nun des Künstlers Lachlust dergestalt, daß er auch den Torwart ansteckte, der sein Porträt mit so schallendem Gewieher begrüßte, als sei er ein wirklicher Satyr und eben aus Theokrits Idyllen davongelaufen.

     „Ihr habt recht mit Eurem Schelten!“ rief Konrad, da er endlich wieder zu Atem kam; „es ist eine wahre Schande, wie leicht ich mich verführen lasse! Aber warum habt Ihr mir auch einen so unwiderstehlichen Kerl vor die Staffelei gesetzt?“

     Der Ritter meinte, nun gebe es nur noch ein Mittel, die Nothelfer rechtzeitig fertig zu kriegen: der Maler solle mit allem Handwerkszeug auf seine Burg kommen. Da seien etliche abgelegene Zimmer, wo ihn nichts zerstreue; in tiefster Stille und Einsamkeit könne er dort die Bilder vollenden.

     Der Maler fand den Vorschlag ganz prächtig und hoffte auf raschesten Erfolg. Nur fürchtete er seinem Gönner lästig zu fallen.

     Allein dieser beruhigte ihn darüber: er habe den Vorschlag schon länger gehegt, ja bereits alles für denselben vorgekehrt. In der Tat hatte der Torwart vorsorglich ein Saumtier neben seinem Pferde mitgebracht und in die Schenke eingestellt, auf welches die Staffelei mit den Malgeräten und den fertigen und leeren Tafeln gepackt wurde.

     So zogen sie zu dreien noch selbigen Abends aus, Konrad Lenz gleichfalls zu Roß, statt eines Spießes mit dem Malerstock bewehrt. Der alte Torwart aber ritt als Knappe hinterdrein, auf der rechten Hand als dextarius das Saumtier führend, welches statt Schild und Rüstung die Staffelei und die Bilder trug.

     Konrad fand den ritterlichen Aufzug so köstlich, daß er Lust hatte, ihn vor dem Aufbruch wenigstens mit etlichen Strichen zu skizzieren, aber der Ritter drängte, denn es galt noch einen scharfen Ritt, daß sie vor tiefer Nacht die Burg erreichten.

Ⅲ.

     Am andern Morgen erwachte Konrad Lenz auf Burg Haltenberg nach einem höchst gesunden Schlafe; es war schon 9 Uhr, und die Augustsonne brannte ihm heiß aufs Bett. Nachdem er sich erinnert, wo er sei und wie er hierhergekommen, sprang er frohgelaunt aus den Federn. Es war doch lustig, daß der Ritter gleich ihn selber aufgepackt, um der Bilder ganz gewiß zu sein.

     Beim Anziehen der einzelnen Kleidungsstücke lief er so zwischendurch in der Stube herum, die Örtlichkeit genauer zu betrachten; denn vergangene Nacht hatte er wenig mehr gesehen, und sein unruhiger Geist duldete nicht, daß er ein Geschäft methodisch nach dem andern vornahm.

     Also schlüpfte er auf den Strümpfen zum Fenster und erforschte den landschaftlichen Hintergrund, während er die Hosen nestelte. Da war freilich nicht viel zu finden. Eine hohe Mauer schnitt, etwas unverschämt nahe, den Horizont