Seite:Harz-Berg-Kalender 1927 053.png

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.


in ihrer demütigen Art und Sitte anderseits ganz aus der alten Schule.

     Leider war das Kloster bald erreicht. Die Frauen dankten dem Führer; die Pforte öffnete sich. Da warf die Junge dem Maler noch einen Gruß zum Abschiede zu mit einem lächelnden Blick, so schelmisch, neckisch, vertraulich – – war das auch alte Schule?

     Konrad Lenz stand vor der Tür wie aus einem Traum erwacht. Im Grund hatte die Alte sehr herablassend gedankt, und nun vollends der unbeschreibliche Abschiedsblick der wunderschönen Kleinen! Er betrachtete sich von oben bis unten, da entdeckte er erst, daß er in Pantoffeln und ohne Müße aus seiner Werkstatt fortgelaufen war, eine Schürze vorgebunden, mit einem ganzer Regenbogen von Ölfarben bekleckst: er glich viel mehr einem Lackierer als einem Maler.

     Langsam und verdrießlich schlich der arme Junge nach Hause. Überall forschte er, wer die Frauen gewesen, aber niemand kannte sie. Am Ende war das schöne Mädchen gar ins Kloster gebracht worden, um Nonne zu werden? Doch nein! Mit solchem Blick, wie sie ihm zugeworfen, geht keine auf ewig ins Kloster.

     Das Bild des Mädchens ließ dem Maler keine Ruhe; den ganzen Tag sah er sie vor sich stehen und hörte ihre süße Stimme. Wie konnte er da den heiligen Erasmus fertig malen! Wenn es noch eine Erasmas gewesen wäre, er hätte ihr das Gesicht der unvergleichlichen Jungfrau gegeben und hätte sich so seine Träume aus der Seele gemalt. Aber leider gibt es unter den vierzehn Nothelfern auf elf Männer nur drei Frauen, und die waren ja zuerst fertig geworden.

     Konrad holte die drei Gemälde wieder herbei. Wie dünkten diese Frauengestalten ihm jetzt kalt und trocken; keine glich entfernt der Unbekannten! Aber die erste derselben hieß doch wenigstens Katharina, und das Mädchen, dessen Namen er nicht wußte, war im Katharinenkloster verschwunden. So sollte die heilige Katharina zum mindesten ihre Züge bekommen.

     Er kratzte die Tafel ab und begann sie neu zu übermalen. Doch sein Pinsel erreichte nicht entfernt das Ideal seiner Seele. Fünf Tage lang setzte er Farbe auf Farbe, der Auftrag wurde immer plastischer und dicker, aber die Katharina wurde auch der Unbekannten immer unähnlicher.

     Also goß er zum zweitenmal Spiritus über die Tafel und rieb sie wieder mit Bimstein ab. Es waren nur noch die Füße der Heiligen und ihr halbes Marterrad sichtbar, als der Herr von Haidenberg eintrat, um zu sehen, was inzwischen gefördert worden sei. Er fand allerdings den heiligen Nikolaus fertig bis aufs Firnissen, aber dafür die heilige Katharina wieder ganz in Spiritus ausgelöst.

     Rührend offenherzig beichtete Konrad dem erzürnten Ritter, daß er sich verliebt und seine unbekannte Geliebte spurlos verloren habe, alles binnen einer Viertelstunde. Nun tröste er sich in seiner Not, indem er die Verlorene wenigstens als Nothelferin festzuhalten suche. Ein Stein mußte Mitleid fühlen mit ihm. Aber der Alte blieb härter als ein Stein; gewiß, er hatte sich niemals binnen einer Viertelstunde verliebt. Er fuhr nicht einmal fort zu zanken, sondern lachte dem Maler ins Gesicht und ging ohne Abschied dröhnenden Schrittes zur Türe hinaus.

     Aber nach drei Tagen kam die Antwort. Der Torwart von Berg Haltenberg erschien mit dem gemessenen Befehl seines Herrn, den heiligen Nikolaus, mit oder ohne Firnis, samt allen anderen fertigen Tafeln abzuholen. Sollte aber etwa auch Sankt Nikolaus wieder abgefragt oder Sankt Katharina noch nicht wieder hinaufgemalt sein, dann war der Dienstmann angewiesen, so lange bei dem Maler sitzen zu bleiben und nicht von seiner Seite zu weichen, bis beide fertig wären. Denn man müsse den gar zu lebhaften Künstler vor Zerstreuung bewahren.

     Zwischen dem Ritter und dem Maler ging es, wie man sieht, immer ganz ehrlich und offen zu: jeder sagte dem andern, was er dachte, geradeaus unter die Nase. Doch waltete dabei ein feiner Unterschied. Der eine war offen wie ein alter Recke, weil es ihm Pflicht und Gewissen gebot; der andre wie ein junger Maler, weil es ihm Spaß machte, auch hatte er noch gar nicht ordentlich lügen gelernt.

     Der Maler fand das Mittel des Ritters, ihn durch Einquartierung zum Malen zu zwingen ebenso neu als grob; wäre ihm der Ritter zuhanden gewesen, so würde er ihm die schönsten Grobheiten dafür zurückgegeben haben. Allein dem Torwart durfte er’s doch nicht entgelten lassen; der tat ja nur seine Pflicht und war überdies ein baumstarker Kerl, den man nicht so ohne weiteres vor die Türe warf.

     Also boi er ihm einen Stuhl und setzte ihm einen Krug Wein und ein großes Stück kalten Rindsbraten vor; denn der Mann war heute schon drei Meilen weit geritten und hatte noch nicht gefrühstückt. Der Appetit war sehenswert, mit welchem derselbe lautlos den Braten verarbeitete.

     Konrad tat, als grundiere er das abgefragte Bild der heiligen Katharina, um nebenher seinen ungebetenen Gast zu beobachten. Da blitzte ihm