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Darum trug er die fertigen Bilder auf den Speicher und die sechs leeren Tafeln dazu, damit er sie beileibe nicht mehr sehe, und trieb sich wochenlang müßig umher, als ob es gar keine Nothelfer jemals gegeben hätte.

     Der Ritter, welcher zeitweilig von seiner Burg in das Reichsstädtchen herüberritt, um den Fortgang des Bilderwerks zu überwachen, entdeckte mit Schrecken diesen vollkommenen Arbeitsstillstand. Als er in die Werkstatt trat, saß Konrad Lenz am Hackbrett und spielte Tänze, die Staffelei war ganz leer, und auf der Marmorplatte zum Farbenreiben lag der Staub so dick, daß man mit dem Finger hineinschreiben konnte.

     „Wenn ich musiziere, dann male ich eigentlich im Geist am allerbesten; mit den Farben wird sich’s später schon finden!“ – so rief der Maler lachend und war sehr erstaunt, daß der alte Herr erstaunt und erzürnt war. Er bat ihn, noch etliche Schleifer und Hopser anzuhören, dann werde sich seine finstre Stirn gewiß entrunzeln.

     Ein andermal war Konrad den ganzen Tag im Walde umhergestrichen, meilenweit von der Stadt. Da sah er den Herrn von Haldenberg mit seinem Hund seitab in den Tannen. Er hätte sich unbemerkt davon schleichen können. Doch das fiel ihm garnicht ein; höchst treuherzig trat er vor den Alten, grüßte ihn und sprach: „Ihr jagt auf Hirsche, und ich jage auf Verse; sie schwärmen mir wie Bienen um den Kopf und wollen nur angefangen sein; seit Sonnenaufgang irre ich von Hag zu Hag und mache die schönsten Gedichte. Nirgends dichtet sich’s besser als im Wald!“

     Der Ritter fragte, ob sich’s denn im Wald am beiten male? „Malen?“ wiederholte Konrad überrascht: – „das Malen kommt nachher ganz von selbst und geht dann um so besser!“

     Allein der Herr von Haldenberg beruhigte sich nicht bei dieser Antwort. Er faßte den Maler fest am Arm, blickte ihm mit den kleinen braunen Augen so stechend ins Gesicht, als ob er ihn durch und durch sehen wolle und hielt ihm seinen Leichtsinn vor, durch welchen er nicht nur ihn erzürne, sondern was noch viel schlimmer, sogar die Heiligen. „Und glaubt Ihr denn,“ – so schloß er – „daß ein Maler nicht auch zuzeiten die vierzehn Nothelfer brauche? Sie werden Euch stecken lassen, wie Ihr mich jetzt stecken laßt!“

     Der Maler sah den Alten mit seinen großen blauen Augen anfangs so unschuldig an, wie ein Kind, dann ward er purpurrot im Gesicht, senkte den Blick und rief: „Bei Gott! Ihr habt recht. Das ist ja entsetzlich, welch eine Kette von Unheil ich mit meinem Leichtsinn um uns schlinge!“ Und er versprach, sofort die Arbeit wieder aufzunehmen, gleich heute noch, und lief im Sturmschritt heim, um ja die letzte Stunde vor Sonnenuntergang noch an der Staffelei zu stehen.

Ⅱ.

     Es war eine Lust zu sehen, wie Konrad Lenz jetzt wieder malte; der Pinsel flog nur so übers Bild, rastlos von früh bis spät. In wenigen Tagen war der heilige Nikolaus fertig bis aufs Firnissen, der heilige Erasmus untermalt, der heilige Aegidius fein aufgezeichnet, der heilige Georg samt seinem Lindwurm grob umrissen.

     Ein wunderschöner Sommermorgen lachte zum Fenster herein, und die Sonne leuchtete goldig auf die gegenüberliegenden Dächer, wenn sie auch nicht in die Werkstatt selber schien; denn die hatte selbstverständlich Nordlicht. Der Maler setzte, bald singend, bald pfeifend, das höchste Rot – Bergzinnober! – auf den Mantel des heiligen Erasmus. Er freute sich kindisch über das fröhliche, rasche Gelingen. Fast Fast es ihm leid, daß es bloß vierzehn und nicht achtundzwanzig Nothelfer gab, er hätte sie alle achtundzwanzig auf Leonhard fertig machen mögen.

     Gehoben von dieser ruhmvollen Gesinnung schaute er einen Augenblick auf die Straße.

     Da stand eine Matrone, von einem jungen Mädchen begleitet, vornehme Leute, wie es schien. Sie sprachen und deuteten lebhaft; augenfällig suchten sie eine Straße oder ein Haus und zweifelten, welchen Weg sie nehmen sollten. Es waren Fremde, denn Konrad kannte sie nicht und er kannte doch alle Frauenzimmer der Stadt. Er legte die Palette hinweg und lugte und lauschte. Himmel! war das Mädchen schön, zwar höchst einfach gekleidet, aber wie edel, wie vornehm in jeder Bewegung!

     Jetzt hört der Maler ganz deutlich, daß die Frauen den Weg zum Katharinenkloster suchen. Die Straße ist ganz leer, kein Mensch weit und breit, der Auskunft gebe, also bleibt ihm wohl als wohlerzogenem jungen Manne doch nichts anderes übrig, als hinaus zu eilen und sich höflich zum Führer anzubieten. Die Damen folgten ihm.

     Er sagte der Alten so allerlei, was man eben zu sagen pflegt, wenn man Fremde führt, allein er wußte bald selbst nicht recht, was er sprach, denn er blickte fortwährend über die Achsel zurück nach der Jungen, die sich bescheiden einen Schritt weit hinten hielt. Sie war aus der Nähe noch viel schöner als aus der Ferne, und die paar Worte, welche sie manchmal sehr zurückhaltend mitredete, klangen wie himmlische Musik. Jugendfrisch in ihrer Schönheit, schien sie