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Die vierzehn Nothelfer.
Novelle von Wilh. Heinrich Riehl.


     Konrad Lenz, geboren 1513, gestorben um 1590, Schüler des Christoph Amberger, ausgezeichnet durch den warmen Goldton seiner Farbe, malte Historien und Legenden, auch Mythologisches, auf Holztafeln in kleinem Format. Seine Bilder sind sehr selten.

     So ungefähr steht’s gedruckt im Katalog einer Galerie, die ich augenblicklich nicht nennen kann.

     Dieser merkwürdige Mann pflegte zu sagen: Das Malen wäre die schönste Kunst, wenn die Bilder nur nicht fertig zu werden brauchten. Denn er malte gern und gut, allein er wollte immer nur malen, wann er wollte, und das geschah oft nur einmal die Woche, öfters auch gar nicht. Den verabredeten Termin eines bestellten Bildes einzuhalten, war ihm ganz unmöglich. Hatte er’s heuer auf Weihnachten zu liefern versprochen, so begann er zu Pfingsten übers Jahr die Tafel zu grundieren. Er grämte sich auch garnicht über diese Eigenschaft, die offenbar mit der launischen Natur des Planeten zusammenhing, unter welchem er geboren war, sondern sprach: Ich habe malen gelernt; die anderen mögen warten lernen.

     Der leichtmütige Künstler zählte erst vierundzwanzig Jahre, als er einen großen Auftrag erhielt. Auf vierzehn schmalen Tafeln sollte er die vierzehn Nothelfer darstellen nebst erläuternden Szenen aus ihrer Legende im Hintergrund; Hauptbedingung aber war, daß das Ganze unfehlbar vollendet sein müsse binnen Jahresfrist, das heißt auf Leonhardstag 1538. Dann sollte der Künstler den hohen Ehrensold von hundert Goldgulden empfangen.

     Der Besteller, Ritter Hans von Haltenberg, war vordem auf einer Fahrt von Genua nach Neapel in die Hände tunesischer Seeräuber gefallen. Während seiner Gefangenschaft flehte er zu den vierzehn Nothelfern und gelobte jedem derselben bis Leonhardi 1538 ein schönes Bild in seiner Burgkapelle, wenn er binnen zwei Monaten aus dem Kerker erlöst würde. Wirklich gewann er bald darauf die Freiheit wieder und säumte nicht, nach Deutschland heimgekehrt, sofort die Bilder zu bestellen und dem Maler das Gewissen zu schärfen wegen genauer Lieferzeit, damit er den Heiligen Wort halte.

     Mit wahrem Feuereifer hatte sich Konrad Lenz in die Arbeit gestürzt. Die drei Frauen des hilfreichen Kreises, Sankt Katharina, Margaret und Barbara malte er im Sturm, Tafel für Tafel binnen 14 Tagen, und sie gelangen vortrefflich. Dann machte er sich an Sankt Pantaleon, Veit und Eustachius. Da ging’s schon etwas langsamer; er brauchte drei Wochen auf den Mann und malte so hin und her bald am einen bald am andern.

     Beim heiligen Blasius kam er wieder recht frisch in Zug; aber bei Papst Gregor wollte es um so weniger flecken. Volle zwei Monate schleppte er sich mit dem Bilde herum. Endlich biß er die Zähne zusammen: „Es muß sein!“ hörte man ihn ein ums anderemal laut in seiner Werkstatt rufen. Mit Todesverachtung griff er zu Pinsel und Palette, nahm den letzten Anlauf, und wirklich in etlichen Tagen stand der Heilige vollendet.

     Aber der Künstler war auch beinahe krank geworden vor lauter Selbstbeherrschung. Noch hatte er sechs Bilder vor sich. Sechs ist zwar die kleinere Hälfte von vierzehn, allein es schien ihm jetzt eine Riesenzahl, an die er gar nicht denken durfte, wollte er nicht das Gehirnfieber kriegen.