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die viel Licht einlassen, sitzen genau da, wo bas Zimmer sie braucht. Wir müssen diese leider nur spärlichen Reste sehr sorgfältig beachten, denn sie geben uns die nationale Rückendeckung bei der Einführung einer praktischen bürgerlichen Bauweise.

     In der Behandlung der Außenwand lassen sich zwei Typen unterscheiben, die Einkleidung mit Holz und die mit Schiefer. Das unverkleidete Fachwerk, das sich in jüngster Zeit vordrängt – namentlich im Bergstädtchen Lautenthal –, scheint ursprünglich ganz unbekannt gewesen zu sein. Der Ziegelrohbau hannoverscher oder berlinischer Observanz bildet eine ganz seltene Ausnahme.

     Das Haus mit Holzverschalung überwiegt. Es hat in der Regel ein rotes Ziegeldach. Schieferdächer kommen seltener vor. Früher scheinen die Bretter der Holzverschalung in einem grünlichen oder gelblichen Ton gestrichen worden zu sein. In dieser grünlichen oder gelblichen Wand, die sehr feinfühlig zu dem roten Dach gestimmt war, standen die Fensterrahmen weiß und die Fensterläden und die Türen ochsenblutfarbig, auch wohl dunkelgrün und blaugrün.

     Ganz ähnlich wurde das auf Dach und Wänden in schwarze oder graue Schieferplatten gekleidete Haus behandelt. Bei den älteren Bauten pflegen die Schieferplatten der Wände dicker und derber gebrochen zu sein, bei den jüngeren sind sie glatter bearbeitet, was nicht so kraftvoll und malerisch mehr wirkt, und hier wird oft eine bunte Ornamentik ausgebildet, die an eine Leder- oder Fellmosaik erinnert.

     Bei den älteren Häusern wurde in der Regel ein schwärzlicher Schiefer gewählt, der aber nicht die sammetartige Tiefe hat wie in Bamberg und Umgebung. Neuerdings scheint man den grauen Schiefer zu bevorzugen. Auch bei der Schieferbekleidung sind die Fensterrahmen weißgestrichen, und die Läden und Haustüren standen wohl ernst, wie heute noch in den Rheinlanden, in einem passenden Grün dagegen. Zuweilen erhebt sich über den Schieferwänden ein leuchtend rotes Ziegeldach.

     Dieser Aufbau in kräftiger Farbigkeit ohne ornamentale Formen bleibt durch alle Stilwandlungen hindurch derselbe. Es ist einerlei, ob ein Haus dem siebzehnten, achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert entstammt. Dem Zeitgeschmack ist nur eine einzige Stelle zur Ausschmückung mit Zierformen überlassen: die Haustür. Und an dieser Stelle konnte die Phantasie sich ausgeben, ohne daß die Monnumentalität des Gesamteindruckes darunter zu Schaden gekommen wäre. Denn der grüne oder ochsenblutfarbene Gesamtton der Tür gab die einheitliche Wirkung in die gerne, und der Reichtum der Einzelheiten enthüllte sich erst dem Eintretenden. Keinem Teile des Hauses kommt man so nahe wie der Tür.

     Es ist ein Vergnügen, zu beobachten, wie reich vom ausklingenden Barock her die Türen der Bergstädte alle Motive der Zeitstile abwandeln. Die ältesten tragen einen Schmuck, der noch an die starke Blumenfreude des 17. Jahrhunderts erinnert. So steht in Wildemann ein Haus, dessen Türflügel mit Nelkentstöcken geziert sind. Dann folgt das Muschelwerf des Rokoko, die Urne des Zopfstils, und die Leier des Klassizismus. Griffe und Tirflopfer standen in blankem Messing als prächtige Flecke auf dem grünen Anstrich.

     Ebenso unermüdlich schafft die Phantasie an dem weißgestrichenen Gitter des Oberlichtes. Auch dieses verrät überall den Zeitstil. Hier und da trägt es als Mittelstück die Laterne, die ihr Licht zugleich dem Innenraum (der Diele) und der Haustreppe spendete. Selten geschieht es, daß für Oberlicht und Tür an zwei Häusern dieselben Erfindungen verwendet werden.

     Als besonderer Schmuck der Fassade kommt das Blumengitter vor den Schiebefenstern hinzu. Am vielseitigsten war es im Bergstädtchen Grund entwickelt. Es ist geradezu erstaunlich, in wieviel Motiven dort das einfache Gitterwerk umgeformt wurde. Meistens wird es grün gestrichert, gelegentlich mit weißen oder roten Köpfen. Die älteren haben noch das kräftige, kalte Oxidgrün, neuerdings liebt man wie überall die wärmeren Töne bis zum hellen moosgrün, die jedoch zu Blättern und Blumen nicht günstig stehen.

     Wie reizvoll dieser einfache Schmuck sich einfügt, wie stark der dunkelgrüne Fleck vor den weißgestrichenen Fensterrahmen mit den grünen Blättern und roten Blüten der Geranien wirkt, und wie lieblich die Gruppe des weiß gestrichenen Fensterrahmens und Blumengitters in der schwarzen Schieferwand oder der lichtgrünen Holzverschalung steht, kann man nur an Ort und Stelle empfinden. Wenn bei einem Häuschen ohne Stockwerk aus bem mächtigen roten Ziegeldach ein Erker mit weiß gestrichenem Fensterrahmen vorspringt, der unten durch das grüne Blumengitter mit seiner Fülle roter Geranien angeschlossen ist, so tut die Farbe unendlich viel mehr, als jede dentbare plastische Verzierung.

     Darin besteht überhaupt die Schönheit dieser Bauweise, daß alles auf einer Anwendung der Farbe in großem Stil gegründet ist. Wo Farbe so angewandt wird, kommt keinerlei Form dagegen auf.

     Am stärksten wirken die weißgestrichenen Fensterrahmen.

     Das Motiv zeigt von großer Feinheit der Empfindung. Wo es einmal da ist, kann man sich garnicht vorstellen, wie tiefe Dunkelheit, die die Fensteröffnung bildet, in eine schwarze Schieferwand, in eine rote Ziegelmauer oder in eine gelbe oder grüne Holzverkleidung feinfühliger eingefügt werden kann, als durch die weiße Umrahmung.

     Wir haben hier die letzten Reste einer im großen koloristischen Architektur vor uns, und können uns eben noch ein Bild ihrer Wirkung machen. Es waren genau dieselben Grundlagen, die vor einem Menschenalter überall in den kleinen Städten Norddeutschlands herrschten und die im letzten Grunde wohl aus Holland stammen.

     Es ist nun sehr lehrreich, zu beobachten, wie es möglich ist, diese herrliche alte Bauweise, die sich der Landschaft so lieblich einfügt, zu vernichten, ohne daß ein Haus eingerissen wird.

     Zuerst wird vorsichtig die Farbigkeit beseitigt. Gegenwärtig steht die alte Gewöhnung der Einwohner offenbar im Kampf mit der neuen Richtung der Anstreicher, die mit fortschrittlichen Vorstellungen von der Schule kommen. Noch sind hie und da die Fensterrahmen weiß und die Blumengitter grün. Aber die ehemals gelblich oder grünlich gestrichenen Wände, die ehemals rot, braun oder grün gestrichenen Haustüren und Fensterläden, tragen schon überall einen Anstrich in Steinfarben, die Türen sind hie und da dort Holzfarben gestrichen, was, an sich ein Unsinn und eine Geschmacklosigkeit zu den blanken Messinggriffen und den weißen Oberlichtern sehr schlecht paßt. Fast noch schlimmer sieht es aus, wenn die Füllungen oder die Ornamente der Türen in einem helleren Tone angesetzt sind.

     Wo man von den alten Schiebefenstern zu der neueren Vorrichtung der aufschlagenden Fensterflügel