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aber nicht lange angehalten. Und da kamen die Reiter, ein dichter, grimmiger Haufe, auf der Landstraße daher, Hillefeld voran. Vor dem Schlagbaum hielten sie. Die Läufe einzelner Büchsen drohten durch Löcher hinter den Hagen. Aber ehe es zum Schießen kam, wollten Richter und Rat der Stadt verhandeln.

     Wider Erwarten waren die Forderungen des Parteigängers so, daß der Rat geneigt war, die Reiter einzulassen. Er fürchtete zu sehr den Herzog Christian von Braunschweig, in dessen Dienst Hillefeld stand.

     Wie kam es denn, daß dieser Buschklepper anscheinend so sanft auftrat?

     Im ersten Morgen dämmern waren sie über den Heiligenstock nach dem Ziegelkrug geritten. Da sahen sie das Dörfchen Buntenbock. Dem Hillefeld schien das eine leichte Beute. Er ließ also seine Reiter am Fuß des Klausberges herumreiten.

     Als sie näher kamen, bemerkten sie die Wagenburg. Sie stutzten, aber Hillefeld vermutete dahinter keinen ernsten bewaffneten Widerstand. Er schickte zehn seiner Leute vor. Fast sorglos näherten sie sich dem Orte. Drei von ihnen ritten auf der Wiese, durch welche die Innerste sickert. Nichts rührte sich vor ihnen. Jetzt waren sie dreihundert Schritt von dem nächsten Haus entfernt, jetzt zweihundert, und jetzt nur noch hundert. Ein Gaul konnte die Beine nicht mehr aus dem Morast herausziehen, da krachte ein Schuß, der Reiter schwankte, und das Wasser platschte, als sein Körper hineinplumpste. Ein anderer Reiter wollte ihm zu Hilfe, aber auch er saß fest und des alten Kurd sichere Kugel holte ihn aus dem Sattel wie den Kameraden. Der dritte wäre gern umgekehrt, aber sein Gaul war durch die Schießerei wild geworden und trug ihn bis dicht vor die Wagenburg, wo er das Schicksal der anderen teilte.

     Hillefeld hatte sofort auch seinerseits ein Feuer auf das todbringende Häuschen eröffnen lassen. Das Dachkammerfensterchen hatten sie sich gemerkt, aus dem der Pulverblitz dreimal geschlagen war. Dorthin richteten sie ihre Läufe. Kurd feuerte ruhig weiter, aber da die Reiter sich ferner hielten, sah er ein, daß es nur Pulververschwendung sei. Man mußte mit der Munition vorsichtig umgehen.

     Daß er so rasch schießen konnte mit den unbeholfenen Büchsen, verdankte er seinem Mädel. Anna stand hinter ihm, lud die Gewehre und reichte sie dem Alten, ohne daß er sich umzudrehen und den Feind aus dem Auge zu verlieren brauchte.

     „Se rieten ut,“ sagte Kurd, „wi hewwen wunnen.“ Damit drehte er sich nach seiner Tochter um. Anna lag regungslos auf dem Boden, eine Büchse hielt sie noch krampfhaft in der Hand. Der Alte beugte sich erschreckt über sie. Der linke Oberarm blutete. Rasch riß er den Ärmel ab und untersuchte die Wunde, wie ein gelernter Feldscher. Als Junge war er ein paar Jahre mit den Landsknechten gelaufen und hatte da gesehen, wie man Wunden behandelt. Unter der Berührung seiner Hände erwachte das Mädchen.

     „Nich röhren, mien leiw Kind!“ sagte der Alte fast zärtlich.

     Sie wollte sprechen, sank aber wieder in Ohnmacht. Da nahm sie kurd auf seine Arme und trug sie auf ihr Bett.

     Von alledem ahnte Bastel nichts, als er von seinem Kammerfenster auf die Straße, auf den Hillefeld und seine Reiter, auf Richter und Ratsmannen von Clausthal sah. Der Schlagbaum war hochgezogen, und trotzig wie ein Sieger ritt der Verhaßte in die Stadt ein. Der Richter ging neben seinem Gaul, und der Gaul – das war ja der Wallach! Das Tier wieherte, als es so nahe seinem Stall kam. Auf einmal wollte er nicht von der Stelle. Die Kavalkade hielt.

     Bastel hörte nur, wie Hillefeld zu dem Richter sagte: „Euch geschieht nichts, aber Buntenbock wird morgen niedergebrannnt, so wahr ich diesem verfluchten störrischen Gaul ...“

     Er riß an dem Zaum und gab dem Tiere die Sporen. Da knallte ein Schuß. Ein qurgelnder Laut drang aus des Grimmigen Kehle. Der Eichenpflock aus Bastels Büchse war ihm in den Hals gedrungen. Wie um sich von seinem Räuber zu befreien, warf das gepeinigte Pferd den Reiter auf die Straße und trabte in Löwes Torweg hinein.

     Richter und Rat standen bestürzt und angstvoll um den Toten. Jetzt mußten die Reiter über sie herfallen und sie niedermetzeln; denn dies war ja eine offenbar verräterische Falle gewesen. Schon wandten sie sich an die Knechte, um ihre Unschuld zu beteuern, da, wie auf Befehl, machte der Haufe kehrt, und Bastel mußte fast lachen, als er sah, wie jeder der erste aus dem Schlagbaum heraus und auf der freien Landstraße sein wollte. Dann ritten sie, ohne umzuschauen, an den Teufelslöchern, am Ziegelkrug, am Heiligenstock vorbei, und rasteten erst, als sie in der Freiheit bei Osterode anlangten.

     Schon der Verlust ihrer drei Kameraden, und daß auf Hillefelds Befehl, dem es auf eine Überrumpelung Clausthals ankam, die Leichen da liegengeblieben waren, hatte sie mit Unsicherheit erfüllt. Dazu die wilden Berge, die finsteren Fichtenwälder und nun der Tod ihres Anführers, den sie für fest gehalten hatten. Wie sie sonst rücksichtslos und tapfer mit ihm draufgegangen waren, so kopflos und feige rissen sie jetzt ohne ihn aus.