Seite:Harz-Berg-Kalender 1922 018.png

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.


     Bastel sah diese Vorkehrungen mit offenem Munde. Nur mit Mühe fand er die Lücke in dem Ring, durch die er in den Ort eindringen konnte. An einer Dachluke stand ein Mann mit einer Hakenbüchse.

     Keiner kümmerte sich um den jungen Fuhrmann. So kam er bis Kurds Haus. Auf der Diele traf er Anna. Drei Feuerrohre standen an die Wand gelehnt. Sie machte sich mit ihnen zu schaffen, putzte sie, nahm sie auseinander, setzte sie wieder zusammen, lud sie, schüttelte Pulver auf, kurz handhabte sie wie ein gelernter Doppelsöldner. Bastels Ankunft störte sie nicht.

     „Glick auf, Junfer Anna!“

     „Dag ak, Musche Bastel!“

     „Wos willse denn mit de Bichsen?“

     „Dotscheiten, wer mek anröhren deit. Ek lat mek nich traktieren, wie den ollen Löwe sin Sähn.“

     Bastel wurde rot vor Scham und Ärger.

     „Kimmt der Hillefald rauf, ich schlahne tut.“

     „Musche Bastel,“ sagte das Mädchen, „der Hilefeld kümmt.“

     Und nun wischte sie sich die Hand an der Schürze ab, gab sie ihm, und erzählte, weshalb Buntenbock sich rüstete.

     Flüchtige waren von Osterode zu ihnen gekommen über Lerbach und den Klausberg, und einer, der erst heute morgen eingetroffen war, hatte gemeldet, daß der berüchtigte Parteigänger Hillefeld – Bastel kenne ihn ja – mit 100 Reitern heranrücke. In einem Wirtshaus auf der Freiheit hatte der Mann gehört, wie die Reiter von den Silbergulden prahlten, die sie in Clausthal einsacken wollten. Buntenbock habe ja keine Silbergulden, liege auch seitab, aber ihr Vater habe doch gemeint: es wäre das sicherste, eine Wagenburg zu schlagen und sich auf jeden Fall vorzusehen. Auf seinen Rat hörten alle, und sein Schuß ginge nie fehl; deshalb hätten sie ihn zum Anführer gewählt.

     „Un Sie, Junfer Anna!“ fragte Bastel.

     „Ek helf min Vadder!“ sagte das Mädel.

     Der junge Fuhrmann schwieg erst, dann wollte er, sie soll mit ihm zu seiner Mutter gehen. Anna aber wehrte ab: hier wäre es sicherer wie in Clausthal, und ihren Vater verließe sie nicht. Und ob der Hillefeld überhaupt käme? Es wären vor der Hand doch nur Gerüchte. Ihm aber riet sie, die Stadt zu alarmieren und darauf zu achten, daß seiner Mutter kein Schaden geschehe.

     Bastel sah ein, daß sie recht hatte, aber ehe er ging, bat er sie um einen, um den ersten Kuß; der andere war ja nichts gewesen, und die Dachtel, die sie ihm versetzt hatte, mußte doch wieder gut gemacht werden.

     „Musche Löwe,“ sagte das Mädel, „sei ek öhne wedder, un is hei en Keerl west, na – Adjüs!“

     Sie trug die Büchsen die steile Treppe hinauf, und Bastel ging nach Haus.

     Über die Wiesen suchte er den Weg nach dem Ziegelkrug. Auf dem Fahrweg traf er einen Haufen Menschen, die mit Schreien und Schlagen ihr Vieh vor sich her trieben. Auch ein Pferd hatten sie, das lahmte und konnte kaum den Karren mit Hausrat weiterziehen. Bastel hielt es an, untersuchte den kranken Huf und fand, daß es in einen Nagel getreten war. Geschickt zog er das rostige Ding heraus. Der Bauer war ihm dankbar und erzählte, daß der Hillefeld ihnen auf den Fersen wäre. Er wußte allerlei Greueltaten von ihm zu berichten, die er an Wehrlosen verübt habe. Dabei ließe sich ihm nichts antun; denn er sei fest. Keine Kugel könne ihm auch nur die Haut ritzen. Das habe er von einem seiner Reiter selbst sagen hören.

     Da glaubte Bastel, daß es Eile habe, und lief den Flüchtigen voraus. Schon bei den Teufelslöchern hörte er die Sturmglocke. Als Kind hatte er sie nachts gehört, wenn es brannte, auch ein paarmal bei Tag, wenn die wilden Wasser gingen, dann gestellten sich die Bergleute auf dem Markt und zogen mit ihrem „Gezäh“ nach dem bedrohten Ort.

     Vor dem Schlagbaum wurde schon geschanzt. Hagen wurden aufgeworfen an den Zugängen zu der offenen Stadt. Schützen stellten sich zur Wache dahinter. Die Frauen liefen jammernd umher. Ihre kostbaren Sachen trugen sie in der Schürze und suchten, wo sie den Schatz verbergen könnten.

     Bastel kümmerte sich nicht darum. Er stieg auf seines Vaters Kammer. Da stand eine gute Hakenbüchse. Sie war lange nicht gebraucht. Der Junge nahm sie aus dem Eckständer und, wie er es bei Anna gesehen hatte, reinigte, putzte und lud er das Gewehr. Eine Bleikugel nahm er aber nicht.

     „Har is fest,“ sagte er halblaut zu sich selbst.

     Was nun? Er grübelte. Da fiel sein Blick auf einen eichenen Stock. Der war nicht zersplittert, wie die Fichten und Buchenknäste, mit denen ihn der Alte bearbeitet hatte. Das Holz war hart wie Stein. Im Stall sägte er das Ende ab, spitzte es mit einem Beil und härtete es obendrein im Kohlenfeuer. Dann stieß er es in den Lauf hinein.

     In der Nacht ging keiner zu Bett; denn der Hillefeld konnte jede Minute eintreffen. Der alte Löwe tobte im Hause umher, wußte aber nicht recht, was er wollte. Er dachte nicht einmal an die Büchse, die fein Junge mit auf die Dachkammer genommen hatte.


     Am Morgen meldeten die Wachen: man habe nach Buntenbock hin Schießen gehört. Es habe