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dann lag sie plump auf freiem Feld. Die Räder batten sich tief in den schüttern Boden gewühlt.

     Helmers zog seinen Revolver, rief dem Chauffeur den knappen Befehl zu: „Vorwärts!“

     Sie liefen geduckt, jeden Busch und jeden Erdhügel als Deckung benützend, geradeaus, dahin, von wo der Schuß gefallen war . . . Der Waldsaum schob sich schwerfällig gegen sie heran. Schon konnten sie deutlich die einzelnen Bäume erkennen. Schon richteten sie sich auf um mit lautem Hurra die letzten Schritte vorwärts zu springen . . . Da wälzte sich eine große weiße Wolke aus dem Buschwerk hervor, Kugeln pfiffen um ihre Köpfe und schllugen prasselnd in die Erde. Es klang, ols ob jemand Erbsen auf ein Blech schüttete . . .

     Hochgereckt stand der junge Leutnant im Kugelregen. Seine Stimme fuhr schneidend zum Waldrand: „A bas les armes!“ – Nieder mit den Waffen!

     Er fühlte einen heftigen Schmerz im linken Oberarm. Wut kochte in ihm empor. Mit zwei gewaltigen Sätzen erreichte er den Waldesrand. Noch einmal sein gellender Ruf: „A bas les armes!“ Noch einmal ein Knistern und Prasseln . . . . Und dann ein Klirren und Klappern: Vier Franzosen lagen auf den Knien im Gras und ließen ihre Gewehre zur Erde poltern.

     Da lachte der jüngste Leutnant und rief seinen Chauffeur. Drehte sich verwundert um, als keine Antwort kam . . . Fand den Tapferen: Hingestreckt auf die harte Adererde lag er, das verzerrte Gesicht zum Himmel gerichtet, mit stieren Augen . . .

     „Das sollt ihr mir büßen!“ knirschte der Leutnant die Franzosen an, die mit angstvollen Augen sein Gesicht im Blick hielten.

     „Vorwärts!“

     Wie eine Hammelherde trieb er sie vor sich her, zum Wagen.

     „Tornister herunter!“

     Aus den Tragriemen schnitt er Fesseln, mit denen er ihnen die Hände zusammenband.

     „Aufsteigen!“

     Sie mußten nebeneinander auf die Schnauze des Autos klettern, zwei und zwei: Da band er sie fest und schuf sich so einen prächtigen Schild. Sie kauerten verängstigt oben, hin und herschwankend, als sich der Motor in Bewegung setzte. Langsam fuhr Leutnant Helmers vorwärts. Er wußte jetzt, daß die Postenkette an dieser Stelle zerrissen war, sonst hätten die vier Franzosen nicht soweit vordringen können. Es galt, vorsichtig zu sein.

     Er hielt mehr nach links hinüber. Schwer lag seine linke Hand auf dem Steuerrad; ein breiter Blutstreifen zog sich über den Aermel, sickerte auf den Handschuh und von da zu Boden . . . . Der junge Leutnant achtete nicht des Schmerzes, den ihm die Wunde bereitete.

     Näher kam das Kanonengedonner. Jetzt konnte er das nervöse Knattern der deutschen Maschinengewehre unterscheiden. Darauf hielt er zu.

     Die Maschine keuchte. Eine steile Anhöhe war zu nehmen. Der Leutnant ließ alle Kräfte spielen. Mit prächtiger Leichtigkeit schoß das Auto empor, nahm die letzte Steigung. Wieder reckte sich der Leutnant . . .: Voll traf sein Blick auf eine französische Kavallerieabteilung, die die Straße hergesprengt kam.

     Fieberhaft kräuselten fich die Gedanken hinter der Stirn des jüngsten Leutnants. Ein Ausweichen war unmöglich; unmöglicher noch ein Wenden. „Außerdem schmachvoll!“ sagte ein Gedanke. Und ein anderer, sieghafter, der leuchtete wie die deutschen Soldatenaugen vor dem Feind: „Durch!“

     „Durch!“

     Fest umschlossen die Finger das Lenkrad, mit Vollkraft schoß die Maschine geradewegs auf die feindlichen Reiter zu . . . Die Franzosen auf dem Maschinenkasten vergaßen vor Verwunderung und Entsetzen das Schreien! Sie saßen mit ihren grell Leuchtenden Hosen aneinandergelehnt und rührten sich nicht . . .

     Da lachte der jüngste Leutnant. Wahrhaftig, sie wichen nach rechts und links zur Seite, die da vorn, sie meinten, eines ihrer eigenen Autos käme da angeprasselt . . .!

     Sie wichen zur Seite, schufen einen breiten Hohlweg, durch den die Maschine wie ein Pfeil hindurchsauste. Der Leutnant sah verwetterte Gefichter unter glimmernden Helmen auf sich gerichtet, dumpfes Murmeln schlug durch den Maschinenlärm an sein Ohr. Er jubelte innerlich: „Durch! Durch!“

     Dann wieder zu beiden Seiten das freie Feld und hinter ihm ein Wutgeheul. Und er selbst, sich mit dem Oberkörper halb umwenden und lachend mit einer Hand höhnische Grüße zurückwinkend, während die andere fest das Lenkrad hielt . . .

     Und dann ein Freudengeschrei vor ihm, weithin brausend über das Feld.

     „Hurra! Hurra!“

     Deutsche Artillerie umringte ihn; ein Oberleutnant reichte ihm die Hand in den Wagen hinein; er drückte sie, wollte sich stramm aufrichten und Meldung erstatten. Da floß mit einmal ein Feuerstrom durch seine Glieder, ihm war, als würde er innerlich verbrüht . . . Aufstöhnend sank er in seinen Sitz zurück und brach in sich zusammen . . .

     Als er wieder zu sich kam, lag er in einer kleinen Bretterbaracke auf einem saubern Bett, eine Schwester vom Roten Kreuz bewegte sich lautlos um ihn. Der Arzt trat ein.

     „Vierzehn Tage liegen bleiben!“ sagte er freundlich und nickte ihm ermunternd zu. Da wußte er wieder, was geschehen war, und dankte


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1915. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1915, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1915_030.png&oldid=- (Version vom 4.6.2019)