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Wetterprophezeiung.

     Wenn auch der in älteren Zeiten angenommene directe Einfluß der Planeten auf unsere Witterungsverhältnisse gerechten Zweifel unterliegt, so hat man doch die durch langjährige Erfahrung und vielfältige Beobachtung erprobte siebenjährige Verschiedenheit der Jahreswitterung als ungefähren Anhaltspunkt für Wetterprophezeiung genommen und den einzelnen Jahren das Regiment der Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Merkur, sowie der Sonne und des Mondes zugetheilt.

     Nach diesen Annahmen fiele das Regiment für das Jahr 1903 dem Jupiter zu, von dem man annahm, daß das Jupiter-Jahr im Allgemeinen ziemlich gut sei, doch mehr feucht als trocken. Sein Vorgänger, der Mond, welcher seinen langwierigen Winter noch bis ins Frühjahr ausdehnt, verursacht manchmal eine drei Wochen verspätete Reifung aller Früchte, jedoch ist das Jupiter-Jahr zu aller Fruchtbarkeit sehr geneigt.

     Der Frühling ist kalt und feucht, auch der Sommer anfänglich, zu Ende aber sehr heiß; der Herbst bringt viel Regen, der Winter ist gelinde.

     In diesem Jahre gedeiht die Gerste ausgezeichnet, weniger der Hafer; die Erbsen und Hirsen, Flachs und Hanf bleiben klein, sind aber gut. Es wächst viel Heu und Grummt, desgleichen auch Rüben. Sehr räthlich soll es sein, wer viel Heu, Stroh und Futter für die folgenden zwei Jahre reservirt, da diese wenig in der Beziehung hoffen lassen. Obst giebt es wenig, Hopfen nicht viel, doch an Substanz gut; der Wein soll gut gerathen.

     Der Westwind ist in diesem Jahre am meisten vorherrschend, danach der Südwind.




Zum Jahreswechsel.


     Ein neues Jahr – was bringt’s der Welt?
Was steht auf seinen ernsten Blättern?
Die Weisheit, die es weiß – sie hält
Die Hand verdeckend auf den Lettern.

     Doch sind zwei Boten schon bereit,
Schon beben sie die schnellen Schwingen,
Der eine, Segen, Glück und Freud’,
Der anbre, Schmerz – und Tod zu bringen.

     Von einem Herrn sind beid’ gesandt,
Das sie von seiner Lieb’ uns sagen.
Laß, Herr, in Herz und Haus und Land
Sie deines Friedens Ölzweig tragen.




Unseres Herrn Gericht.
Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen von J. C. Maurer.
1.


     Hoch droben im Gebirge, wo ein Saumpfad übers Hörndl-Joch hinüber aus dem Zillerthal nach Alpach führt, stand am Saume des Waldes ein einsames Bauernhaus, zu Höfen genannt. Weit ausgedehnte Wiesengründe und Roggenfelder breiteten sich darum her; am steilen Rain hinter dem Hause aber erhob sich ein alter, schattiger Ahornbaum, dessen breit belaubte Äste sich fast bis auf den Erdboden niedersenkten.

     Auf der Bank unter diesem Baume saß an einem Pfingstabend ein junges, hübsches Weib, das kaum den Mädchenjahren entwachsen schien. Ihre Augen waren roth vom Weinen, und die finsteren Mienen des weit älteren, graulockigen Mannes, welcher in der Sonntagsjoppe neben ihr stand, schien darauf hinzudeuten, daß zwischen den Beiden sich soeben eine etwas erregte Scene abgespielt habe.

     „Und damit ist’s aus, Du bleibst daheim!“ sprach jetzt der Alte in entschiedenem Tone. „Das ist mein letztes Wort, und Widerspruch duld’ ich nicht, wie Du nachgerade wissen solltest!“

     „Aber Du hast mir’s doch schon vor acht Tagen versprochen,“ entgegnete das junge Weib neben ihm, „daß Du mich heute ins Dorfwirthshaus hinab nach Hart zum Tanz führen werdest. Warum hast Du das gethan, wenn Du trozdem Dein Versprechen nicht halten willst? Hättest Du mir das gleich gesagt, so wäre mir die Täuschung gespart worden. Doch was klage ich? Bin ich es ja schon gewohnt, auf jede, auch die unschuldigste Freude verzichten zu müssen.“

     Mühsam drängte sie, während sie dies sprach, ihre Thränen zurück und sah betrübt vor sich nieder.

     „Ei was,“ fuhr der Andere zürnend auf, „Du bist mein Weib und mußt gehorchen! Eine verheirathete Bäuerin gehört nimmer dorthin, wo ledige Dirndlen mit den Burschen herumspringen. Mit eineM Wort, Du hast auf dem Tanzboden nichts zu suchen, und darum ist’s mein Wille, daß Du daheim bleibst.“

     „Aber hat Dir der Hirschenwirth nicht gestern eigens noch Botschaft sagen lassen,“ replicirte die junge Frau dagegen, „daß wir Beide heute kommen sollten“

     „Es wird deshalb immer noch keinen Verdruß geben, wenn ich allein hingehe,“ versetzte der Bauer höhnisch. „Ein Stündlein will ich meinetwegen dort bleiben, alter Freundschaft zulieb; gegen neun Uhr aber komm’ ich wieder heim. So, jetzt weißt Du’s“, schloß er befehlend, „und nun davon kein Wort mehr.“

     Indem er dies sprach, wandte er sich finster von ihr ab und ging brummend davon.