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den Ofen und das Fenster ausgefahren war, ruhig und ohne sich je zu verrathen, nach Hause zu gehen.



Wahrer Adel bedarf keinen Adelsbrief.


     Ein Graf hatte, durch verschiedene Vorfälle, den größten Theil seines Vermögens eingebüßt. Er sah, was so viele Menschen, die sich in seinen Umständen befinden, nicht sehen: daß es nöthig sey, seine Haushaltung einzuschränken. Er eröffnete sein Vorhaben seiner Gemahlin, die er zärtlich liebte.

     „Gräfin! (sagte er) unsere Umstände nöthigen uns, unserm bisherigen Aufwande Grenzen zu setzen. Es wird nicht zu ändern stehen, daß wir alle unsere Leute, bis auf eine Köchin und einen Bedienten, aus unserm Dienste entlassen. Ich weiß wohl, daß Sie ihre Kammerjungfer ungerne verlieren. Ich würde sie Ihnen lassen, wenn ich dieses möglich zu machen wüßte.“

     Die gute Gräfin war von der Klugheit und Rechtschaffenheit ihres Gemahls überzeugt. So nahe es ihr nun auch gieng, sich von einer Person zu trennen, für welche sie viele Zuneigung hatte; so machte sie doch derselben, mit Thränen in den Augen, diese nothwendige Veränderung bekannt. Das arme Mädchen ward äußerst gerührt. „Gnädige Frau (sagte sie endlich), ich werde im Stande seyn, mit meiner Arbeit meinen Unterhalt zu verdienen, ohne daß ich Sie vernachlässigen darf. Erlauben Sie mir also, bey Ihnen zu bleiben. Ich werde Ihnen vielleicht jetzt am nützlichsten seyn.“ – Der Graf, welchen der Entschluß dieses guten Mädchens tief gerührt hatte, kam in den Speisesaal, wo, wie gewöhnlich, nur für ihn und seine Gemahlin gedeckt ward. Er verlangte noch ein drittes Gedeck. „Erwarten Sie einen Freund?“ fragte die Gräfin. „Nein, (antwortete dieser) aber lassen Sie Ihre bisherige Kammerjungfer rufen! Eine Person, die so edel denkt, ist von nun an uns gleich.“



Muth und Geistesgegenwart leiten den tapfern Mann in Gefahren.


     Der Capitain von W.., ein Mann der großmüthig und herzensgut war, zog sich gegen den Abend seines Lebens aus dem Geräusche der Waffen und dem Getümmel der Welt in die Einsamkeit seines Landguths zurück. Seine Beschäftigung war hier, seiner Wirthschaft wahrzunehmen, sich um das Anliegen seiner Unterthanen zu bekümmern, und die Jagd, die er von jeher geliebt hatte, auszuüben. Wenn er von dem einen oder andern des Abends heimkehrte, und der Gesellschaft seines Brudersohns, eines Husarenlieutnants aus der benachbarten Garnison, entbehrte, pflegte er in dem Saale des zweiten Stockwerks seines Hauses ein Paar Lichter anzünden zu lassen, und sich mit dem Gesichte gegen den Saal gekehrt, in dem anstoßenden Kabinet, das keine andere Auszierung als ein Feldbett, die Plane von neun durchfochtenen Schlachten, drey Flinten, ein Paar Pistolen, und zwey Windbüchsen hatte, in seinen Lehnstuhl zu werfen, um über merkwürdige Vorfälle, die er erlebt, Erfahrungen die er gesammelt, Menschen die er gekannt hatte, auch oft über sich selbst und sein Schicksal nachzudenken. Ein Abendzeitvertreib, von dem sich wenige einen Begriff, und noch wenigere Gebrauch machen können. – Im späten Herbste des Jahrs 1770 hatte unser Capitain eine Räuberbande in dem nahgelegenen Walde ausgehoben, und an das Justizcollegium abgeliefert. Sechs von diesen Bösewichtern zu brechen, und man kann denken, daß sie nicht ohne Vorsatz zur Rache waren. Es war in der Christnacht, als der Capitain länger als gewöhnlich seinen Betrachtungen nachgieng, und wie er hernach zu erzählen pflegte, eine