Seite:Hartung Geheimbuch eines deutschen Handelshauses.djvu/18

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Doch trägt die Entwickelung, nach den Zahlen beurteilt, einen unstäteren Charakter; im Vergleich mit Nürnberg und seiner soliden Stetigkeit sind die gewaltigen Sprünge und schwer zu erklärenden Differenzen auffällig, die sowohl in der Gestaltung des Warenkontos als auch in dem Verhältnis dieses zu den Aussenständen zu Tage treten. So wechseln Warenlager von bedeutendem Umfange, deren Wert hinter den höchsten Nürnberger Ansätzen nicht zurücksteht, mehr als einmal mit ganz geringfügigen Posten, und der Unterschied zwischen Waren und Aussenständen beträgt bei der Hälfte der Abrechnungen 200–500 % bald zu dieser, bald zu jener Gunsten. Dass hier Bankgeschäfte in erheblichem Umfange betrieben wurden, erscheint daher um so weniger zweifelhaft[1], weil die vorhandenen Waren, Südfrüchte, Saffran, Baumwolle und dergleichen wohl zum grossen Teil für den weiteren Versand in Venedig eingekauft waren, und ihr Wert demnach bei Beurteilung der erheblichen Aussenstände nur mit Einschränkungen herangezogen werden kann. Der eigentliche Warenhandel aber scheint hier von den Impulsen der Spekulation, vielleicht auch von dem Ausfall der Ernte, in höherem Grade beherrscht gewesen zu sein, als dies an anderen Orten zu beobachten ist.

In einem bemerkenswerten Missverhältnis stehen Warenkonto und Aussenstände lange Jahre in Antwerpen. Schon bei der ersten Abrechnung waren letztere dreimal grösser als jenes, und dieser Zustand tritt fast 20 Jahre hindurch mit grosser Regelmässigkeit immer wieder zu Tage. Die Differenz wird sogar allmählich noch grösser, 1545 übertreffen die Aussenstände den Wert der Warenvorräte um das siebenfache, 1551 um das sechsfache. Mit dem Jahre 1553 erfolgt dann aber ein gewaltiger Umschwung, die Aussenstände sinken von 43692 Livr. auf 8622 Livr. herab und sind seitdem nie mehr zu der früheren


  1. Dass Augsburger Bankiers noch im 18. Jahrhundert lebhafte Beziehungen zu Italien unterhielten, habe ich in dieser Zeitschrift, Bd. IV, S. 236 ff., gezeigt.