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mir sehr leid, denn ich brauche ihn ja dringend; aber ich überrede ihn nicht. Jeder muß tun, was ihm gut dünkt. Ich habe ihm nur gesagt, daß ich es für unklug halte, weil es nach Flucht aussieht. Er sagte mir aber, daß Herr Frey im Ort herumläuft u. die Leute aushorcht auch über mich. – Das scheint zu stimmen, denn eben war Frau Kurts aus Althagen bei Martha, die sich ja mächtig als Kommunistin aufspielt. Ich dachte mir natürlich, daß Herr Frey auch bei ihr gewesen sein müsse, um sie auszuhorchen. Ich fühlte ihr auf den Zahn u. sie erzählte denn auch gleich los, daß Herr Frey sie gefragt hat, ob ich einen Sohn hätte. Herr Frey wird noch mehr gefragt haben u. Frau Kurts wird vielleicht auch noch mehr gesagt haben. Sie will morgen nach Ribnitz u. ich habe sie gebeten, sich dort nach Paul umzusehen.

     Ich fürchte, daß morgen Herr Frey die Gelegenheit benutzen wird, wo der Dampfer fährt, um nach Ribnitz zu kommen u. daß er dann mit Herrn Kühme zusammentreffen wird. Jedenfalls ist für mich der Umstand, daß Herr K. abfährt, um so mehr ein Grund, das Amt niederzulegen. Frau Schuster ist heute leider nicht dazu gekommen, mein Gesuch fertig zu schreiben, sodaß es erst morgen rausgehen kann; aber das muß ja auch seinen Sinn haben.

     Gestern erhielten wir eine Karte von Rektor Dutemeyer aus Müritz. Das kleine Lenchen ist gestorben, die Schwestern sind wohl auf. –

Mittwoch, 3. Okt. 1945.     

     Heute war endlich wieder einmal ein ruhiger Tag. Mein Rücktrittsgesuch habe ich unterschrieben, es geht morgen auf den Weg. Ebenso habe ich die Auflösung der Notgemeinschaft unterschrieben, deren Geld ich in einen neuen Wohlfahrtsfonds der Gemeinde übernehme, u. zwar die ganze, ungekürzte Summe, die s. Zt. durch Spenden eingegangen ist, obgleich davon etwa 1300,– Rm. an Barunterstützungen ausgezahlt worden sind. Ich hoffe, daß Herr Ziel damit nun zufriedengestellt ist u. niemand mehr sagen kann, daß wir uns daran bereichert hätten.

Freitag, 5. Oktober 1945.     

     Mein Rücktrittsgesuch ist gestern rausgegangen. Inzwischen ist es im Dorf bekannt geworden u. die Leute kommen zu mir, um mich zu bitten, daß ich bleiben möchte. Sie haben Angst, daß irgend ein ortsfremder Kommunist hierher geschickt werden wird.

     Gestern Abend waren Frl. Klinkhardt u. Herr Joseph bei uns, die aus Berlin erzählten.

     Als ich morgens ins Amt ging, traf ich Prof. Reinmöller, der mir seine Empörung über die Denunziationen aussprach, durch die Paul verhaftet worden ist. Er meinte: „wir sind diesen Leuten auf der Spur“ – wer diese „wir“ sind, weiß ich nicht, ich möchte mich auch nicht sehr gern von Prof. R. beschützen lassen. Er meinte aber sicher Dr. Ziel. –

     Herr Dr. Ziel regierte heute morgen, als ich ins Amt kam, bereits im Sekretariat herum, als wäre er Bürgermeister. Ich vermied, hineinzugehen, um ihn nicht hinauswerfen zu müssen. Frau Schuster kam dann u. sagte mir, daß sie mit ihm aneinandergeraten wäre. – Am Nachmittag erschien Herr Ziel dann abermals bei mir selbst, aber da war er sehr höflich.

Sonntag, 7. Oktober 1945.     

     Gestern war eine Gemeinde-Vorstands-Sitzung u. es war sehr rührend, wie mir alle ihre Liebe u. Sympatie ausdrückten u. mich inständig baten, doch zu bleiben. Alle brachten ihre Verachtung über die Denunzianten zum Ausdruck,

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Hans Brass: TBHB 1945-10-02. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-10-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2024)