Seite:Handbuch der Politik Band 3.pdf/202

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

vermöge ihrer ungünstigen Lebenshaltung auch bei gutem Willen nicht in der Lage sein. Absonderung und Desinfektion, die bei anderen übertragbaren Krankheiten mit Erfolg angewendet werden können, genügen hier nicht, da man den Erreger nicht kennt. Auf die Impfung kann demnach zunächst nicht verzichtet werden.

(Anmerkung WS: Fußnote nicht zuordenbar:[1])

III. Leichenbestattung. Unbestattete Leichen gefährden die menschliche Gesundheit, auch wenn der Tod nicht infolge einer übertragbaren Krankheit erfolgt ist. Deshalb hat die Gesundheitspolizei für eine zweckentsprechende Bestattung Sorge zu tragen. Die Beisetzung hat im allgemeinen auf Friedhöfen, ausnahmsweise in Familiengrüften, in Kirchen oder an anderen Plätzen zu erfolgen. Die Begräbnisplätze müssen so angelegt sein, dass den Umwohnern und den Besuchern der Friedhöfe kein gesundheitlicher Nachteil aus der Verwesung der Leichen erwachsen kann. Die Friedhöfe dürfen erst nach einiger Zeit wieder neu angelegt oder anderweit verwendet werden. Die obligatorische Leichenschau ist bisher nur in einigen deutschen Staaten eingeführt. Bei der Regelung der Feuerbestattung handelt es sich vorwiegend um die Berücksichtigung sicherheitspolizeilicher Massregeln.

IV. Übertragbare Krankheiten der Tiere. Was oben (unter I) über die übertragbaren Krankheiten der Menschen gesagt ist, gilt auch im wesentlichen von denen der Tiere (Viehseuchen).[2] Die Gesundheitspolizei (Veterinärpolizei) muss einer Verschleppung der Seuchen über die Grenzen vorbeugen und die staatlichen Massregeln zur Bekämpfung im Inlande durchführen. Die reichsrechtliche Grundlage für die Bekämpfung der Viehseuchen bildet neben dem Rinderpestgesetz vom 7. April 1869 das Viehseuchengesetz vom 26. Juni 1909.[3]

1. Gegen die Einschleppung kommen Einfuhrverbote, Beschränkungen im Grenzverkehr, Revisionen und Kontrollen zur Anwendung.[4]Es ist verboten, Tiere einzuführen, die an einer übertragbaren Seuche leiden und verdächtige Tiere, sowie Erzeugnisse solcher Tiere. Ebenso ist es untersagt, Kadaver und Teile von Tieren einzuführen, die an einer übertragbaren Seuche gefallen sind oder zur Zeit des Todes an einer solchen gelitten haben oder seuchenverdächtig gewesen sind; ebenso dürfen Gegenstände jeder Art nicht eingeführt werden, von denen nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, dass sie Träger des Ansteckungsstoffes sind.[5] Die Einfuhr lebender oder toter Tiere, tierischer Erzeugnisse oder Rohstoffe sowie der Gegenstände, die Träger des Ansteckungsstoffes sein können, kann allgemein oder für bestimmte Grenzstrecken verboten oder beschränkt werden. Ferner kann im Grenzbezirk der Verkehr mit Tieren Bestimmungen unterworfen werden, die geeignet sind, im Falle der Einschleppung einer Weiterverbreitung der Seuche vorzubeugen. Auch diese Bestimmungen können auf tierische Erzeugnisse und Rohstoffe, sowie auf Gegenstände ausgedehnt werden, die Träger von Ansteckungsstoffen sein können. In den Grenzbezirken kann auch eine Revision des vorhandenen Viehbestandes und eine regelmässige Kontrolle über den Ab- und Zugang von Vieh angeordnet werden.[6]

Diese Bestimmungen des neuen Viehseuchengesetzes gestatten im Vergleich mit dem bisher geltenden Recht einen ziemlich weitgehenden Schutz gegenüber dem Auslande. Es versteht sich von selbst, dass die zuständigen Verwaltungsbehörden sich bei der Regelung des Grenzverkehrs nur von gesundheitspolizeilichen Gesichtspunkten leiten lassen.


  1. Vgl. Meyer-Dochow 4 § 43 S. 188.
  2. Vgl. Anm. 2.
  3. Übersicht über die Materialien und Literatur bei Ebermayer in Stengleins Strafr. Nebengesetzen 4 (1911) 1, 842, 845 u. 849; Laband, Staatsrecht 4 3, 258, Meyer-Dochow 4 § 44 S. 190. Zum Viehseuchengesetz sind umfangreiche Ausführungsbestimmungen vom 25. Dezember 1911 erlassen.
  4. Viehseuchengesetz §§ 6–8.
  5. Bisher bezog sich das Verbot nur auf die Einfuhr von Tieren, die von einer übertragbaren Seuche befallen waren.
  6. Diese Massregeln hatten bisher den bedrohlichen Ausbruch einer Seuche im Auslande zur Voraussetzung.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/202&oldid=- (Version vom 4.12.2021)