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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

reichen nicht aus. Das, was in schädlicher Weise der Repetitor und Einpauker leistet, muss fördersamst planmässig die Universität leisten. Dazu bietet sich das Institut der Assistenten und Privatdozenten, die in Zusammenarbeit mit dem Fachlehrer konversatorisch und repetitorisch den Studierenden bei der Bewältigung des Stoffes an die Hand gehen. Diese ergänzenden Repetitorien sind mit der Fachvorlesung pflichtmässig zu hören. – Ferner wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass die dogmatischen Vorlesungen durch Ausschaltung gewisser für den Kathedervortrag nicht geeigneter Partien und Details entlastet werden, unter Ueberweisung derselben in die konversatorisch zu leitende und kontrollierende Selbstarbeit. – Endlich muss dem theoretischen Unterricht ein Anschauungs-Apparat zur Unterstützung dienen, der aus reponiertem Aktenmaterial und dergleichen leicht zu beschaffen ist.

Eine derartige organisatorische planmässige Reform würde den weiteren Vorteil einer Schule für die Lehrkräfte der Universität bilden. Zurzeit ist die Habilitation oft ein gewagtes Unternehmen. Auf eine gelehrte – mitunter auch wenig gelehrte Arbeit erfolgt nach gutem, ja vielleicht dürftigem Kolloquium und ebenso dürftiger Probevorlesung die Habilitation. Ob der so zur Lehrtätigkeit Zugelassene für sie die Befähigung besitzt, weiss weder er, noch weiss es die Fakultät. Aber nun ist er Dozent, schreibt Bücher, wird in eines Besseren Ermangelung berufen oder kraft Ersitzung Professor, vielleicht auch bleibt er sein Lebtag Privatdozent, den Gott im Zorn dazu gemacht hat. – Die vorgeschlagene Reform schafft aber nicht nur eine Bildungsstätte für den Dozenten, sondern erleichtert auch wirtschaftlich seine Existenz, denn es ist selbstverständlich, dass derartig planmässig beschäftigte Assistenten und Dozenten nicht ohne Gehalt arbeiten.

Man wende nicht ein, dass es an geeigneten Personen fehlen werde. Unter den jüngeren Praktikern wird es an brauchbaren Hilfskräften nie fehlen, – und der ordentliche Professor wird sich leichtlich geeignete Schüler heranziehen. – Finanzielle Bedenken haben bei der Wichtigkeit der Sache keine Berechtigung.

2. Der Vorbereitungsdienst ist aus einem ganz äusserlich geordneten, in seinem Erfolg auf den Zufall abgestellten in eine methodische Schulung umzuwandeln. Es hängt zurzeit vom Zufall ab, ob der Referendar das Glück hat, einen geeigneten Lehrmeister an seinem Richter oder Staatsanwalt zu finden, ob die Beschäftigung, die ihm wird, hinlänglich instruktiv ist. Dass muss anders werden. Man mag mit einer knapp bemessenen Station beim Amtsgericht beginnen, die in den verschiedenen Gebieten der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit orientiert. Dann muss eine methodische praktische Unterweisung folgen – und das kann nur geschehen beim Landgericht, bei dem die Referendare in grösserer Zahl zu Ausbildungskursen zu vereinigen sind, die von hierzu berufenen und dafür zu remunerierenden Instruktoren: Richtern, Staatsanwälten, Anwälten zivil- und strafprozessualisch, sowie im Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuleiten sind. Dann mag die Zeit der praktischen „Betätigung folgen“, deren Hauptgewicht in die Judikatur, die staatsanwaltliche und anwaltliche Tätigkeit zu legen ist. Das Bestreben, den Referendar überall sattelfest zu machen, z. B. auch in Nachlass- und Vormundschaftssachen, in Grundbuchsachen, in Konkurssachen, in der Berufungsinstanz gleichermassen, wie in der ersten ist zwecklos. Man hat zu bedenken, dass wir nicht aufhören zu lernen, dass der junge Richter nicht alsbald in höherer Instanz funktionieren wird und dass, wer in erster Instanz tüchtig ist, es auch in der höheren sein wird. Wesentlich ist, wo die stärksten für die Novizen des Rechts förderlichsten Bildungselemente liegen. Gänzlich gebrochen muss werden mit der handwerksmässigen Beschäftigung, besonders durch, wohl gar durch fiskalische Gesichtspunkte bestimmten, Ersatz des Gerichtschreibers durch den Referendar. Man muss einsehen, dass die praktische Schulung Aufwendungen des Staates erheischt, wie die akademische und dass Arbeit unter eigener Verantwortlichkeit die intensivste Bildungskraft besitzt.



Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/168&oldid=- (Version vom 21.11.2021)