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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Charakter des ganz Privaten nehmen, hiesse der Universität immer mehr, und mehr noch als dies schon geschehen ist, den Beamtencharakter geben und dadurch allerdings auch die Lehrfreiheit gefährden. Daher wird man vor allem differenzieren müssen. Kaufmann[1] hat die ausserordentlichen Professoren – denn nur um diese kann es sich handeln – in fünf Gruppen eingeteilt; es wird genügen, zwei Klassen zu unterscheiden: solche, die Vertreter notwendiger Fächer und als solche vielleicht auch Leiter von Instituten sind, ohne deren Mitarbeit also der Universitätsunterricht eine Lücke aufzeigte; und zweitens solche, die vom Privatdozenten aufgestiegen im wesentlichen noch den Charakter eines solchen haben und nur den Namen – den Titel und Rang – eines Professors führen. Von den ersteren ist es nun durchaus berechtigt und gut, dass sie an der Verwaltung der Universität und Fakultät ihren vollen Anteil verlangen und bekommen; bei den letzteren dagegen liegt dafür kein Grund und kein Rechtsanspruch vor: sie sollten es meines Erachtens nicht einmal anstreben, sondern sich vielmehr ihrer goldenen Freiheit freuen. Dagegen ist es vernünftig, dass alle Extraordinarien im Plenum den Rektor und eventuell auch den Vertreter der Universität in der Ersten Kammer mitwählen. Auch davon bleiben die Privatdozenten, von denen die jüngeren die Bedürfnisse einer Universität gerade auch nach ihrer Verwaltungsseite hin noch nicht kennen, also auch nicht beurteilen können, wer zu ihrer Vertretung nach aussen hin der rechte Mann ist, besser ausgeschlossen; sie sollten überhaupt keine weiteren Rechte anstreben; denn dafür müssten ihnen auch Pflichten auferlegt und sie dadurch in ihrer Freiheit beschränkt werden.

Hinter allen diesen Fragen aber verbirgt sich schliesslich doch immer wieder nur das eine grosse Gegenwartsproblem unserer Universitäten: das Verhältnis dieser sich selbst verwaltenden Körperschaften zum Staat. Wir sind schon bisher immer wieder darauf gestossen. Die Wissenschaft braucht Geld, unsere Universitäten werden immer teurer. Es ist das grosse Verdienst Althoffs, ihnen reichlich Mittel verschafft und sie dadurch zu Blüte und Glanz gebracht zu haben. Dafür mussten sie eine immer wachsende Abhängigkeit vom Staat und seinen Vertretern in Kauf nehmen, und mussten ihre Professoren immer mehr zu Staatsbeamten werden. Und so treffen denn auch in der Gehaltsfrage die beiden Konkurrenten und die beiden konkurrierenden Anschauungen alsbald wieder auf einander. Es ist zunächst etwas Abnormes, dass die Professoren für ihre Leistungen gewissermassen doppelt bezahlt werden, einmal vom Staat in Form des Gehaltes und dann von den Studenten in Form des Kollegienhonorars. Die gegen dieses letztere vorgebrachten Gründe, dass dadurch eine grosse Ungleichheit in den Einkünften und in der Lebenshaltung der Professoren herbeigeführt werde und dass der Professor dem Studenten gegenüber in eine schiefe Stellung komme, kann ich nicht anerkennen. Wenn Ungleichheit – was schadet sie denn? und kommen tut sie ja doch; man denke nur an die ärztliche Praxis grosser Kliniker und an die Rechtsgutachten hervorragender Juristen. Von einer schiefen Stellung aber oder gar von einer gewissen Abhängigkeit den Studenten gegenüber ist mir nie etwas entgegengetreten oder auch nur zum Bewusstsein gekommen. Ebensowenig kann ich freilich den Hauptgrund der Gegenseite gelten lassen, dass der Professor einzig oder doch hauptsächlich durch das Kolleggeld bestimmt werde, eifrig und gewissenhaft zu sein im Halten seiner Vorlesungen und sich für sie die rechte Mühe zu geben: als ob unsere Beamten nicht auch ohne solche besonderen Einkünfte ebenso gewissenhaft ihre Berufspflichten erfüllten. Aber allerdings zeigt das Beispiel des Beamten, dass durch das Kolleggeld die Unabhängigkeit des Professors vom Wohlwollen oder Übelwollen einer Regierung, wie sie durch den Korporationscharakter der Universitäten gefordert und im Interesse der Lehr- und Redefreiheit des Professors besonders notwendig wird, in der Tat am besten gewahrt ist. Da aber das Titel- und Ordenswesen an unseren Universitäten nachgerade ebenso blüht wie in unserer Beamtenschaft und durch Verleihung oder Vorenthaltung von solchen Nichtigkeiten die Abhängigkeit ebenso markiert werden kann, so ist dieser Grund durchschlagend bloss für den, der auch auf Titel und Orden zu verzichten bereit ist. Nur dann halten sich die Gründe für und wider das Kollegienhonorar die Wage; so wie die Dinge heute liegen, würde ich mich, schon um des bösen Scheines willen, der ihm anhaftet, entschieden auf die Seite der Gegner dieser Einrichtung stellen. Dass mit dem Auskunftsmittel, das Preussen gefunden hat, einen Teil dieser privaten Einkünfte für Universitätszwecke einzuziehen, das


  1. Kaufmann a. a. O. S. 243.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/154&oldid=- (Version vom 21.11.2021)