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2. Die Lehrpläne dieser Anstalten (geringere Unterschiede bleiben ausser Betracht) sind folgendermassen gestaltet:

In den Gymnasien stehen im Mittelpunkt des Unterrichts die lateinische und griechische Sprache, die etwa ein Drittel aller Unterrichtsstunden bilden. Diese Schulen beginnen in Preussen in Sexta das Latein, setzen in Quarta mit dem Französischen ein, in Untertertia mit dem Griechischen und in Obersekunda mit wahlfreiem Englisch. Die meisten deutschen Bundesstaaten haben einen ähnlichen Lehrplan wie den preussischen. Abweichungen finden sich im Französischen in Elsass-Lothringen, wo diese Sprache in Quinta einsetzt, und in Bayern, wo mit dem Französischen in der sechsten Klasse begonnen wird, die der preussischen Untersekunda entspricht. (In Bayern wird Sexta als erste, Quinta als zweite Klasse u. s. f. bezeichnet.) Das Englische ist in der preussischen Provinz Hannover, in Braunschweig, Oldenburg, in Hamburg und Lübeck Pflichtfach, in Hamburg uud Lübeck setzt es ausserdem schon in Untersekunda ein. In Baden ist Englisch schon von Untersekunda wahlfreies Lehrfach.

Die Realgymnasien entsprechen mehr als die Gymnasien den Forderungen der Neuzeit: sie legen Nachdruck auf die beiden neueren Sprachen und bieten eingehendere Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaft. Den Zusammenhang mit der antiken Kultur wahren sie durch Beibehaltung der lateinischen Sprache im Unterrichtsplan. In ihrem Unterbau bis Quarta einschliesslich sind die Realgymnasien in den meisten deutschen Staaten den Gymnasien sehr ähnlich, setzen also in Sexta mit Latein, in Quarta mit Französisch ein; in Untertertia kommt die englische Sprache hinzu. In Elsass-Lothringen beginnt wie an den Gymnasien das Französische in Quinta; das Königreich Sachsen lässt das Englische in Obertertia beginnen. Wesentliche Abweichungen finden sich an den Realgymnasien Bayerns und Württembergs. Dort ist der Unterbau bis zur dritten Klasse (der Quarta in Preussen entsprechend) völlig gleich; erst in der vierten Klasse (der Untertertia) setzt das Französische ein und das Englische beginnt in der sechsten Klasse, der preussischen Untersekunda. In Württemberg überwiegt im starken Masse an den Realgymnasien das Lateinische, so dass man besser diese Schulen als Gymnasien ohne Griechisch bezeichnen könnte. Die Zahl der lateinischen Gesamtstunden beträgt hier siebenundsechzig, während sie an den preussischen Gymnasien achtundsechzig ausmacht, an den preussischen Realgymnasien nur neunundvierzig. Das Französische setzt in der dritten Klasse (der preussischen Quarta) ein, das Englische erst in der sechsten (der preussischen Untersekunda).

Die Oberrealschulen betreiben nachdrücklich die französische und englische Sprache nebst Mathematik und Naturwissenschaften und können, da sie auf das Lateinische als Pflichtfach verzichten, auf Deutsch, Erdkunde und Zeichnen mehr Zeit verwenden, als die beiden anderen Anstaltsarten. Um den Zusammenhang mit den antiken Geistesschätzen festzuhalten, werden treffliche Übersetzungen der klassischen Schriftsteller des Altertums gelesen. In Preussen hat man an vielen Stellen von Obersekunda ab wahlfreien lateinischen Unterricht, dessen Lehrziel bedingt ist durch die Aufgabe, geeignete, den Zutritt zu den höheren Studien erstrebende Schüler in das Verständnis leichter lateinischer Schriftsteller einzuführen. Die erste fremde Unterrichtssprache an den Obrrrealschulen ist die französische, die in Sexta beginnt. Englisch folgt in Untertertia. In Hessen beginnt man mit dem Französischen erst in Quinta, in Hamburg mit dem Englischen schon in Quarta, in Bayern fängt man das Englische erst in der fünften Klasse (der preussischen Obertertia) an. An einigen Realschulen in der Provinz Hannover und auch in Hamburg beginnt man in Sexta nicht mit der französischen, sondern mit der englischen Sprache.

Die Reformschulen Altonaer und Frankfurter Systems gehen von dem einheitlichen Gedanken aus, das Lateinische weiter hinaufzuschieben und im fremdsprachlichen Unterricht vom Näheren zum Entfernteren vorzuschreiten. Sie haben in den untersten Klassen anstatt des Lateinischen das Französische. Das Altonaer System (begonnen im Jahre 1878 am Realgymnasium in Altona), hat für Realgymnasium und Realschule einen gemeinsamen Unterbau von Sexta bis Quarta; in Sexta und Quinta ist Französisch alleinige Fremdsprache, in Quarta kommt Englisch hinzu, in Untertertia setzt für das Realgymnasium Lateinisch ein; die Realschule geht mit nur zwei Sprachen weiter.

Das Frankfurter System (begonnen im Jahre 1892) dehnte das Altonaer System auch auf das Gymnasium aus und betonte in der Betreibung der fremden Sprachen die alte gesunde pädagogische

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/144&oldid=- (Version vom 20.11.2021)