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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Ehe durchaus geboten erschien. Beseitigt wurde die eheliche Vormundschaft oder die eheliche Gewalt des Mannes und auch der verheirateten Frau vollkommene Geschäftsfähigkeit zuerkannt. Nur kann, wenn die Frau sich zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet hat, durch welche die ehelichen Interessen beeinträchtigt werden, das Vormundschaftsgericht den Mann zur Auflösung des Vertrages ermächtigen, doch ist die Frau gegen den Missbrauch dieses ehemännlichen Rechts geschützt. Ausserdem bleibt die Frau bei Übernahme einer Vormundschaft an die Zustimmung des Mannes gebunden.

Die Verpflichtung zur ehelichen Gemeinschaft besteht gleichermassen für beide Teile. Hingegen steht in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten dem Manne die Entscheidung zu, insbesondere bestimmt er Wohnort und Wohnung, nur missbräuchliche Ausübung des ehemännlichen Entscheidungsrechts entbindet die Frau von der Pflicht der Folgeleistung.

Zur Leitung des Hauswesens ist die Frau berechtigt wie verpflichtet, zu Arbeiten im Hauswesen nur verpflichtet, soweit eine solche Tätigkeit nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist. Ihrem Rechte zur Leitung des Hauswesens entsprechend steht der Frau die sogenannte Schlüsselgewalt zu. Kraft dieser ist die Frau berechtigt, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten.

Die Frau hat ihrem Manne gegenüber Anspruch auf standesgemässen Unterhalt. Umgekehrt schuldet die Frau dem Manne den standesgemässen Unterhalt nur, wenn er ausserstande ist sich selbst zu unterhalten.

Als eine besonders wertvolle Errungenschaft erscheint die im B.G.B. erfolgte einheitliche Regelung des ehelichen Güterrechts, weil bis dahin auf keinem anderen Rechtsgebiete eine gleich grosse Mannigfaltigkeit der Rechtsbildung herrschte, als auf diesem. Als allgemeiner gesetzlicher Güterstand wurde dasjenige System gewählt, welches ohnehin schon in dem weitaus grösstem Teile Deutschlands Geltung hatte, die Verwaltungsgemeinschaft. Sie schien auch dem Wesen der Ehe und der vorherrschenden Auffassung von ihr am besten zu entsprechen. Die Verwaltungsgemeinschaft gilt überall, wo sie nicht durch Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen wird. Dadurch, dass es den Eheleuten frei steht, vertragsmässig einen anderen Güterstand zu begründen, wird abweichenden Anschauungen und Gewohnheiten ausreichend Rechnung getragen. Als vertragsmässige Gütersysteme erscheinen neben dem gesetzlichen Güterrecht der Verwaltungsgemeinschaft im B.G.B. die allgemeine Gütergemeinschaft, die Errungenschaftsgemeinschaft und die Fahrnissgemeinschaft. Auch kann die Gütertrennung vertragsmässig begründet werden. Wird eine Ehe einem von den genannten Systemen schlechtweg unterstellt, so gelten diejenigen Vorschriften, in welchen das B.G.B. ihren Inhalt regelt. Individuelle Regelung der Güterverhältnisse ist im übrigen nicht ausgeschlossen.

Bei der Verwaltungsgemeinschaft bleibt das von der Frau eingebrachte Vermögen ihr Sondergut, doch gebührt dem Manne Verwaltung und Nutzniessung. Fällt sonach der Ertrag des Frauenvermögens dem Manne zu, so hat dieser dafür die ehelichen Lasten allein zu tragen. Zum eingebrachten Gute gehört auch das Vermögen, das die Frau während der Ehe erwirbt.

Die Verwaltung und Nutzniessung des Mannes erstreckt sich indessen nicht auf das Vorbehaltsgut der Frau. Zu diesem Vorbehaltsgut, über das der Frau das unbeschränkte Verfügungsrecht verbleibt wie bei Gütertrennung, gehören nicht nur die ausschliesslich zum persönlichen Gebrauche der Frau bestimmten Sachen, insbesondere Kleider, Schmucksachen, und Arbeitsgeräte, sondern vor allem ist Vorbehaltsgut auch alles was die Frau durch ihre Arbeit oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes erwirbt, ferner aller Erwerb von Todeswegen und aller Erwerb aus Schenkungen, wenn der Erblasser oder der Schenkende bestimmt hat, dass der Erwerb Vorbehaltsgut sein soll. Auch können darüber hinaus durch Ehevertrag beliebige Vermögensteile für Vorbehaltsgut erklärt werden. Aus diesem hat die Frau zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes nur insoweit beizutragen, als der Mann nicht schon durch die Nutzungen des eingebrachten Gutes einen angemessenen Beitrag erhält. Der Bestand des eingebrachten Gutes ist auf Verlangen eines der Ehegatten durch ein aufzunehmendes Verzeichnis festzustellen.

Das Verwaltungsrecht des Mannes ist kein unbeschränktes. Denn er ist nicht berechtigt, durch Rechtsgeschäfte die Frau zu verpflichten und können daher Verfügungen über die Sache

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/132&oldid=- (Version vom 19.11.2021)