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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Unter den Gewerbegruppen, in welchen die Frauenarbeit absolut oder relativ grössere Bedeutung besitzt, stehen im Vordergrunde:

Beschäftigte Frauen
Bekleidungsgewerbe 721 400 (50,7%),
Textilindustrie 528 200 (50,0%),
Nahrungs- und Genussmittel 249 000 (22,0%),
Reinigungsgewerbe 161 700 (59,8%),
Papierindustrie 67 300 (32,6%),
Polygraphisches Gewerbe 38 000 (20,2%).
Ferner waren Frauen beschäftigt:
im Handelsgewerbe 545 200 (31,3%),
in Gast- und Schankwirtschaft 339 600 (52,1%).

In der Industrie überwiegt die ungelernte weibliche Arbeit (802 000) die gelernte (651 000).

Viel weibliche Erwerbstätigkeit wird ausgeübt im Nebenberuf. Die 3,4 Mill. Nebenberufsfälle, welche auf das weibliche Geschlecht entfallen, bilden 45,25%, der Gesamtzahl. An ihnen sind weibliche Erwerbstätige mit Hauptberuf nur mit 1/5 beteiligt.

Stark sind die Frauen an der Hausindustrie beteiligt. Ihr Anteil ist im Wachsen, während die Beteiligung der Männer abnimmt. Zur Zeit ist er schon im numerischen Übergewicht.

Weitaus die meisten erwerbstätigen Frauen – 70,3 Proz. – sind unverheiratet. Von den 9,49 Mill. einen Hauptberuf ausübenden Frauen einschliesslich der Dienstboten waren nur 2,82 Mill. oder 29,7 Proz. verheiratet. Die geringste Zahl der Verheirateten weisen die Dienstboten auf, 0,7 Proz, unter 1¼ Million. Von den 290 000 Frauen, welche im öffentlichen Dienst oder in freien Berufen tätig waren, entfielen 11,0 Proz. auf die Verheirateten, von denjenigen, welche häusliche Dienste und Lohnarbeit wechselnder Art verrichteten, zusammen 320 000 = 16,4 Proz., aber 28,4 Proz. auf Verwitwete. Die drei grossen Berufsabteilungen Landwirtschaft, Industrie und Handel zählen zusammen unter 7,63 Mill. weiblichen Erwerbstätigen 2,72 Mill. oder 35,7 Proz. verheiratete Frauen. Von ihnen entfällt der weitaus grösste Teil, nämlich 2,01 Mill., auf die Landwirtschaft, in der es sich weniger um im engeren Sinne erwerbstätige Frauen handelt, als um in der Familie mithelfende Ehefrauen. Auch die starke Zunahme der erwerbstätigen Ehefrauen, welche seit 1895 166 Proz. betrug, rührt fast ausschliesslich von der Landwirtschaft und der schärferen Erfassung der mithelfenden Familienangehörigen in ihr her. In der Landwirtschaft sind 43,8 Proz. aller erwerbstätigen Frauen verheiratet, in der Industrie 21,3 Proz. (= 450 000 von 2,10 Mill.) im Handel und Verkehr 28,2 Proz. (= 260 000 von 930 000). Von diesen 260 000 im Handel und Verkehr tätigen Verheirateten entfällt wiederum der grösste Teil – 152 000 – auf die mithelfenden Ehefrauen.

II. Mutterschutz und Mutterschaftsversicherung.

Die modernen Wirtschaftsverhältnisse haben vielfach in besonderem Masse die verheirateten Frauen in eine schwierige Lage gebracht, zum mindesten in den unteren auf Lohnarbeit angewiesenen Schichten. Die verheirateten Frauen welche, durch unzulänglichen Verdienst des Mannes genötigt, Erwerbsarbeit verrichten, meistens sogar ausser dem Hause, sind doppelt belastet, weil sie daneben auch noch ihren natürlichen Beruf als Frauen und Mütter in Familie und Haus erfüllen sollen. Hieraus ergibt sich nicht nur eine Arbeitsüberbürdung, sondern auch eine Gefährdung ihrer Gesundheit, event. sogar ihres Lebens, wie eine Gefährdung von Leben und Gesundheit der Nachkommenschaft. Die Schwierigkeit Beruf und Mutterschaft zu vereinigen erzeugte das Bedürfnis eines besonderen Mutterschutzes. Schon die modernen Arbeiterschutzgesetze haben in wachsendem Umfange die Beschäftigung von Frauen in Fabriken und Werkstätten nach der Entbindung für längere Zeit verboten und schliesslich dieses Beschäftigungsverbot auch auf einen kürzeren Zeitraum unmittelbar vor der Entbindung erstreckt.

So dürfen in Deutschland zurzeit (Ges. vom 28.Dez. 1908, in Kraft seit 1. Jan. 1910) Arbeiterinnen vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während 8 Wochen nicht beschäftigt werden und

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/128&oldid=- (Version vom 19.11.2021)