Seite:Handbuch der Politik Band 3.pdf/106

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

vorgeschrieben ist. Ferner sind vorgeschrieben eine Mindeststudiendauer, ein bestimmter Studiengang und nach dessen Vollendung die Beibringung des Befähigungsnachweises über die staatlichen Anforderungen.

Das Staatsinteresse den Ärzten gegenüber geht noch weiter. Der Staat braucht ärztliche Sachverständige für Verwaltung und Rechtsprechung, er stellt Ärzte als Medizinalbeamte an. Er braucht des weiteren Aerzte für die Armee, er stellt Militärärzte an, schafft teilweise für diese besondere Ausbildungsstätten. So werden die staatlichen Massnahmen bestimmend für das Ärztewesen.

Approbation.

Die Festsetzung der Vorbedingungen für die Erteilung des Befähigungsnachweises, der Approbation, ist nach § 29 Abs. 2 der Gewerbeordnung Sache des Bundesrats. Demnach sind sie für das gesamte Gebiet des Deutschen Reichs gleichmässig. Zur Zeit gelten die Bestimmungen vom 28. Mai 1901. Nach diesen ist die Zulassung zum Medizinstudium abhängig von dem Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums, eines deutschen Realgymnasiums oder einer deutschen Oberrealschule.

Das Medizinstudium geschieht an deutschen Universitäten. Frühestens nach fünf Semestern ist die ärztliche Vorprüfung abzulegen. Hierbei kann die Ableistung der militärischen Dienstpflicht bis zu einem Semester angerechnet werden, falls dieser in einer Universitätsstadt genügt wurde und der Studierende gleichzeitig immatrikuliert gewesen ist. Die Vorprüfung umfasst Anatomie, Physiologie, Physik, Chemie, Zoologie und Botanik.

Mindestens vier Semester nach Bestehen der Vorprüfung kann die ärztliche Prüfung abgelegt werden. Auf diese Zeit wird Militärdienst nicht angerechnet. Die Prüfung umfasst pathologische Anatomie und allgemeine Pathologie, innere Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe und Gynäkologie, Augenheilkunde, Irrenheilkunde, Hygiene.

Beide Prüfungen werden vor jährlich von den Zentralbehörden berufenen Prüfungskommissionen abgelegt. Wird eine Prüfung in einem der vorgeschriebenen Fächer nicht bestanden, kann sie wiederholt werden. Ist die Gesamtprüfung innerhalb von drei Jahren nicht beendet, so gilt sie in allen Abschnitten als nicht bestanden.

Auf die bestandene Prüfung folgt das praktische Jahr, während dessen der „Medizinalpraktikant“ sich nach freier Wahl an einer Universitäts-Klinik oder -Poliklinik oder an einem besonders ermächtigten Krankenhause innerhalb des Deutschen Reichs unter Aufsicht und Anleitung des Direktors praktisch zu beschäftigen hat und zwar mindestens vier Monate vorzugsweise mit der Behandlung innerer Krankheiten. Der Anstaltsleiter muss ein Zeugnis ausstellen über die Art der Beschäftigung, die praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten des Kandidaten und über sein Verständnis für die Aufgaben und Pflichten des ärztlichen Berufs. Nunmehr wird auf Antrag der Zentralbehörde, unter der die ärztliche Prüfung bestanden war, die Approbation erteilt.

Einer Doktorpromotion, die in früheren Zeiten die Approbation in sich schloss, bedarf der Arzt nicht mehr. Da aber immer noch im Volke vielfach die Bezeichnungen Doktor und Arzt als gleichbedeutend gelten, so promovieren die weitaus meisten Mediziner. Zur Vorbeugung von Missbräuchen bestimmt die Promotionsordnung für die medizinischen Fakultäten vom 1. Oktober 1900, dass die Zulassung von Inländern in der Regel erst nach Beibringung der Approbation erfolgen darf.

Die rechtliche Stellung des Arztes.

Die rechtliche Stellung der Ärzte ergibt sich aus der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869, insoweit sie ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält. Solche finden sich in den Paragraphen 29, 40, 53, 54 über Notwendigkeit, Voraussetzung und Wirkung der Approbation, § 30 über Konzessionspflicht von Anstalten, § 56 a über den Ausschluss der Heilkunde von den Gewerbebetrieben im Umherziehen, § 144 über die Aufhebung des Behandlungszwanges, § 147, der Nichtapprobierten arztähnliche Titel verbietet.

Die Einreihung der Ärzte unter die Gewerbeordnung hat eine praktische Bedeutung, z. B. für die Beurteilung der Angestellten von Ärzten als Gewerbegehilfen, die Gültigkeit der Konkurrenzklausel,

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/106&oldid=- (Version vom 15.12.2023)