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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Berufsgruppen herauszugreifen und einen kurzen Hinweis auf die sozialpolitisch bedeutsamsten Seiten ihrer wirtschaftlichen und Berufsverhältnisse zu geben. Hierbei werden als zu den freien Berufen gehörig diejenigen Personenkreise gerechnet, die ausschliesslich oder vornehmlich von dem Ertrage ihrer geistigen oder künstlerischen Arbeit leben. Es zählen nicht hierzu diejenigen Kreise, welche infolge ihres Kapitalbesitzes und der Art ihrer Betätigung als Unternehmer oder dem Charakter ihrer Anstellung nach als öffentliche oder Privatbeamte angesprochen werden müssen.

Was zunächst den Journalistenberuf anbelangt, so finden sich hier infolge des starken Zuganges von Personen aus den verschiedensten Karrieren und mit der verschiedensten Vorbildung ein grosser Prozentsatz vorwiegend jugendlicher Elemente und nicht fest angestellter Reporter, die sich sehr notdürftig durchschlagen müssen, bis sie zu einem ausreichenden Einkommen, zu einer etatsmässigen Anstellung kommen. Es ist jedoch durchaus keine Seltenheit, dass junge Journalisten und Redakteure, die in Jahren, wo ihre Studiengenossen noch Probekandidaten oder unbesoldete Assessoren sind, bereits über ein Einkommen von 4000 Mark und mehr verfügen. Insbesondere finden Journalisten, die auf diesen Namen einen vollberechtigten Anspruch erhalten können und die sich auf politischem, volkswirtschaftlichem oder feuilletonistischem Gebiet bewähren, heute oft lohnenden Absatz ihrer Arbeiten. Korrespondenten für grosse politische Blätter in den Hauptstädten werden in der Regel über ein Einkommen von 10 000 bis 20 000 Mark verfügen. Wenn man von ganz kleinen Organen absieht, wird als das regelmässige Minimum für einen fest angestellten Redakteur wohl ein Gehalt von 3000 Mark zu betrachten sein; tüchtige Redakteure werden es im Laufe der Zeit unschwer zu Gehältern von 7500–10 000 Mark, in leitender Stelle auch wohl bis zu 12 000 Mk. und mehr bringen. So ungünstig, wie man gewöhnlich glaubt, steht es auch mit den Pensionsverhältnissen nicht. Eine Anzahl grosser Blätter hat im Anschluss an die für öffentliche Beamte bestehenden Grundsätze, auch für ihre Redakteure Pensionsberechtigung allgemein eingeführt, bei anderen bestehen mit den alten Mitgliedern der Redaktion besondere Abmachungen. Vielfach bedient man sich hierbei der Form der Lebensversicherung, der Rentenversicherung oder der Vermittelung einer der bestehenden Pensionsanstalten. –

Über die Lage der freien Schriftsteller resp. über ihre Einkommensverhältnisse können naturgemäss Zahlen nicht angegeben werden, da hierfür das persönliche Moment, insbesondere das Talent, die geistige Produktivität, die von den schriftstellerischen Qualitäten abhängige Beliebtheit bei dem lesenden Publikum von ausschlaggebendem Einflusse sind. Jedenfalls leiden aber auch die Schriftsteller z. T. empfindlich unter dem starken Überangebot, welches sich auf dem literarischen Markt seit Jahren fühlbar macht. – Die Schriftsteller und Journalisten haben sich in verschiedenen bedeutenden Berufsvereinen, so in dem „Deutschen Schriftstellerverband“, in dem 18 Untervereine umfassenden „Verband Deutscher Journalisten- und Schriftstellervereine“ (München), im „Allgemeinen Schriftstellerverein“, im „Verein Deutscher Redakteure“, im „Verein Berliner Presse“ etc. zusammengeschlossen. Diese Vereine haben sich mit wichtigen Fragen des Urheberrechtes, des Pressrechtes und Pressstrafrechtes befasst, haben sich für Aufhebung der Theaterzensur ausgesprochen, suchen Streitigkeiten der Mitglieder untereinander zu schlichten, Normen für die Wahrung der Standesehre und für allgemeine Standesfragen aufzustellen. Sie sind für die Einrichtung von Pressekammern nach dem Vorbilde der Ärzte- und Anwaltskammern eingetreten, haben Schiedsgerichte, Rechtsauskunftsstellen, Arbeitsnachweise, sowie Unterstützungs- und Pensionskassen aller Art ins Leben gerufen.

Über die Einkommenverhältnisse, die soziale und rechtliche Stellung der Schauspieler sind im Jahre 1910 von Gustav Rickelt hochinteressante Untersuchungen veröffentlicht worden. Das Bild, welches da von den Betriebsarten und den Verhältnissen entworfen wird, unter denen die überwiegende Mehrzahl der Schauspieler und Schauspielerinnen ihre Kunst ausüben müssen, ist ein wenig erfreuliches, ja mitunter sogar ein recht trostloses. Rickelt zählt in Deutschland 30 Hof-, Stadt- und Privattheater mit ganzjähriger Spielzeit, 320 Wintertheater, 150 Sommertheater und 120 reisende Gesellschaften, an denen insgesamt 16 000 darstellende Künstler (Schauspieler, Schauspielerinnen, Sänger, Sängerinnen, Choristen und Balletpersonal) beschäftigt sind. Nur an den erstgenannten „grösseren Theatern“ sind ca. 1200 Schauspieler tätig, die ein volles Jahreseinkommen in Höhe von 2000 bis 20 000 Mark je nach Stellung und künstlerischer Qualität beziehen. Hierzu

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/101&oldid=- (Version vom 14.11.2021)