Diverse: Handbuch der Politik – Band 2 | |
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Literatur:
- 1. Die Protokolle folgender Parteitage der deutschen Sozialdemokratie: Erfurt (1891), Breslau (1895), Hannover (1899), Lübeck (1901), Dresden (1903), Nürnberg (1908), Magdeburg (1910).
- 2. Aufsätze von Ed. Bernstein, Dr. Ed. David, Ad. von Elm, Paul Göhre, Paul Kampffmeyer, Ludwig Frank, Hugo Lindemann, Dr. Conrad Schmidt und anderen in verschiedenen Jahrgängen der von Dr. Jos. Bloch herausgegebenen „Sozialistischen Monatshefte“ (Erscheinungsort: Berlin).
- 3. Schriften von
- Ed. Bernstein (Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart, J. H. W. Dietz Nachf.; Zur Theorie und Geschichte des Sozialismus, Berlin, Ferd. Dümmler; Der Revisionismus in der Sozialdemokratie, ein Vortrag vor Studenten, Amsterdam, Martin G. Cohen Nachf.), von
- Dr. Ed. David (Der Sozialismus und die Landwirtschaft, Berlin, Verlag der Sozialistischen Monatshefte), von
- Rudolf Goldscheid (Verelendungs- oder Meliorationstheorie? Berlin, ebendaselbst), von
- Paul Kampffmeyer (Wohin steuert die ökonomische und staatliche Entwicklung? Berlin, ebendaselbst).
- Von nichtsozialdemokratischen Autoren behandeln insbesondere
- H. Herkner in den neueren Auflagen seiner „Arbeiterfrage“ und
- Werner Sombart in den neuesten Auflagen seines „Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert“
- die Entwicklung des Revisionismus in der Sozialdemokratie.
- Kritisch behandelt diesen Gegenstand
- Robt. Brunhuber „Die heutige Sozialdemokratie“, Jena 1906, Gustav Fischer, welche Schrift die
- Gegenschrift des Unterzeichneten „Die heutige Sozialdemokratie in Theorie und Praxis“, München 1906, G. Birk & Co., hervorgerufen hat.
- Von Abhandlungen aus sozialdemokratischen Kreisen gegen die revisionistischen Tendenzen ist die eingehendste die Streitschrift
- K. Kutsky’s „Bernstein und das sozialdemokratische Programm“. Stuttgart 1899, J. H. W. Dietz Nachfolger.
Es gibt in der Sozialdemokratie Deutschlands keine abgeschlossene Fraktion, die sich als revisionistisch bezeichnete, noch gibt es eine genau umgrenzte Theorie oder ein ausgearbeitetes Programm, die diesen Titel führten. Revisionismus ist vielmehr der Name für eine Strömung, der Sozialisten angehören oder zugerechnet werden, die in vielen Punkten wiederum unter sich differieren, etwa wie das in der Reformation hinsichtlich des Protestantismus, in der grossen englischen Revolution beim Puritanismus und in der ersten Periode der grossen französischen Revolution bei jenen Politikern der Fall war, die sich zunächst unterschiedslos als Demokraten bezeichneten. Das Wort zeigt nur das Bedürfnis oder Verlangen nach Änderungen an, ohne diese Änderungen schon genau zu umgrenzen. Lediglich ihre Richtung steht ausserhalb allen Zweifels. Revisionismus heisst Weiterbildung von Theorie und Praxis der Sozialdemokratie im evolutionistischen Sinne.
Wer die Geschichte der Sozialdemokratie kennt, weiss, dass es solche Tendenzen immer in der sozialistischen Partei gegeben hat. Auch die heute von der Sozialdemokratie aller Länder als Begründer der Theorie des modernen Sozialismus anerkannten Karl Marx und Friedrich Engels waren gegenüber den zu ihrer Zeit vorherrschenden sozialistischen Doktrinen Revisionisten. Der dogmatisch kritisierenden Ideologie stellten sie die materialistische Geschichtsauffassung gegenüber, die vor allem gesellschaftliche Entwicklungstheorie ist. In der Anwendung der Theorie wiederum verhält sich schon der an Jahren jüngere Ferdinand Lassalle ihnen gegenüber stark abweichend, noch mehr aber würde auf Lassalle’s befähigtesten Nachfolger in der Leitung des allgemeinen Arbeitervereins J. B. von Schweitzer die Bezeichnung als Revisionist passen. Denn wenn Lassalle sich von Marx-Engels durch die grössere Wertung des allgemeinen gleichen Wahlrechts unterscheidet, so war J. B. von Schweitzer Neuerer in bezug auf die ganze Stellung zum Parlamentarismus. Er ist in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie der Vater der parlamentarischen Reformarbeit.
Schweitzer fand, wie man weiss, mit seiner Neuerung einen erbitterten Gegner und Kritiker in Wilhelm Liebknecht, und in dem Kampf dieser beiden Männer spiegelt sich der Kampf zweier Betrachtungsweisen wieder, die in allen Parteien, in allen grossen Bewegungen einander den Rang streitig machen und deren Widerstreit eng auf unser Thema Bezug hat: der Kampf der absolutistischen mit der relativistischen Behandlung der Dinge. Die letztere war hierdurch Schweitzer, die erstere durch Liebknecht repräsentiert, dessen apodiktische Argumentierungsweise drastisch
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/71&oldid=- (Version vom 5.6.2022)