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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

„dass alle auf die ökonomische Emanzipation gerichteten Anstrengungen bisher an dem Mangel der Solidarität (Vereinigung) zwischen den vielfachen Zweigen der Arbeit jeden Landes und dem Nichtvorhandensein eines brüderlichen Bandes der Einheit zwischen den arbeitenden Klassen der verschiedenen Länder gescheitert sind; dass die Emanzipation der Arbeit weiter ein lokales, noch ein nationales, sondern ein soziales Problem (Aufgabe) ist, welches alle Länder umfasst, in denen es moderne Gesellschaft gibt, und dessen Lösung von der praktischen und theoretischen Mitwirkung der vorgeschrittenen Länder abhängt“,

der Anschluss an die Bestrebungen der Internationalen Arbeiter-Association beschlossen. Gleichzeitig gelangte nach lebhaften Auseinandersetzungen mit 69 gegen 46 Stimmen folgendes Programm zur Annahme:

Der zu Nürnberg versammelte fünfte deutsche Arbeitervereinstag erklärt in nachstehenden Punkten seine Übereinstimmung mit dem Programm der Internationalen Arbeiterassoziation:
1. Die Emanzipation (Befreiung der arbeitenden Klassen) muss durch die arbeitenden Klassen selbst erkämpft werden. Der Kampf für die Emanzipation der arbeitenden Klassen ist nicht ein Kampf für Klassenprivilegien und Monopole, sondern für gleiche Rechte und gleiche Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft.
2. Die ökonomische Abhängigkeit des Mannes der Arbeit von dem Monopolisten (dem ausschliesslichen Besitzer) der Arbeitswerkzeuge bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, des sozialen Elends, der geistigen Herabwürdigung und der politischen Abhängigkeit.
3. Die politische Freiheit ist die unentbehrliche Vorbedingung zur ökonomischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbar von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokratischen Staat.

Zum Präsidenten wurde August Bebel gewählt.

Beide Richtungen der Arbeiterbewegung hatten sich bereits an den Wahlen zum konstituierenden Reichstag im Februar 1867 und zum norddeutschen Reichstag im August 1867 beteiligt. Bei den Wahlen zum konstituierenden Reichstag entfielen auf den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein rund 40 000 Stimmen, ohne dass es ihm gelang, ein Mandat zu erobern, während die sächsische Volkspartei, deren Kern die sächsischen Arbeitervereine bildeten, und die sich am 19. August 1866 in Chemnitz konstituiert hatte, mit etwa 18 000 Wählerstimmen in Glauchau–Meerane Bebel und in Zwickau–Crimmitschau Schraps, beide allerdings erst in der Stichwahl, durchbrachte. Bei den Wahlen zum norddeutschen Reichstag wurden 7 Kandidaten der Arbeiterpartei gewählt, und zwar für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein von Schweitzer in Elberfeld–Barmen und Reincke in Lennep–Mettmann, für die sächsischen Arbeitervereine Bebel in Glauchau–Meerane, Schraps in Zwickau–Crimmitschau, Wilhelm Liebknecht in Stollberg–Schneeberg, Dr. Götz in Leipzig-Land und Försterling in Chemnitz. Auf den Streit zwischen beiden Richtungen einzugehen würde zu weit führen. Man kann die Differenzpunkte in Anlehnung an Mehring[1] wohl am besten so präzisieren, dass, nachdem in der Schlacht bei Königgrätz die eisernen Würfel zu Gunsten Preussens gefallen waren, der Allgemeine deutsche Arbeiterverein die nunmehr geschaffene Sachlage annahm, nicht mit irgend welcher Anerkennung, geschweige denn Begeisterung, sondern als den Abschluss einer historischen Entwicklung, die sich nicht mehr rückgängig machen lasse, die auch das Proletariat annehmen müsse, nicht als einen Boden, auf dem es sich einrichten könne, sondern als einen Platz, von dem aus es nunmehr den Kampf um seine Emanzipation führen müsse, wohingegen die sächsische Volkspartei die durch den Krieg geschaffenen Zustände unversöhnlich zu bekämpfen, die gross-deutsch-demokratische Einheitstendenz ungeschmälert aufrecht zu erhalten und die Zusammenberufung eines konstituierenden Parlaments zu erstreben beschloss, das von allen deutschen Staaten mit Einschluss Deutsch-Oesterreichs zu beschicken sei. In diesem Beschluss lag nach Mehring der Schwerpunkt des Chemnitzer Programms, das sich in seiner politisch sozialen Forderungen sonst nahe mit dem Programm des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins berührte, wenn es auch nicht so prinzipiell sozialistisch war.


  1. Die Gründung der deutschen Sozialdemokratie.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/61&oldid=- (Version vom 4.9.2021)