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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

bewahrt, „überall dabei sein zu müssen“, eine Gefahr, der eine Mittelpartei, die sich nicht jederzeit ihres liberalen Grundcharakters bewusst ist, unterliegen könnte.

In dem am 12. Juni 1867 vereinbarten Programm der Partei heisst es:

„Die Endziele des Liberalismus sind beständige, aber seine Forderungen und Wege sind noch nicht abgeschlossen vom Leben und erschöpfen sich nicht in festen Formeln. Sein innerstes Wesen besteht darin, die Zeichen der Zeit zu beachten und ihre Ansprüche, zu befriedigen.“

Wir haben, so sagt Bennigsen, praktische Politik getrieben; eine andere Grundlage für eine Partei, welche wirken will, ist undenkbar. Einer Partei, die ihre Prinzipien absolut und in vollstem Umfange verwirklichen will und sich nicht begnügt, das Wesentlichste zur Durchführung und Anerkennung zu bringen, wird es ergehen, wie es den extremen Parteien von links und rechts zu allen Zeiten ergangen ist. Die einen suchen ihre Ideale in der Zukunft, die sie nicht erreichen, die andern in der Vergangenheit, die sie nie zurückführen.

In den Ziffern der Reichstagswahlstatistik bietet sich das folgende Bild der äusseren Schicksale der nationalliberalen Partei und der ihr freundschaftlich nahe gebliebenen Gruppen dar:

Wählerstimmen Abgeordnete vom Hundert
Nationalliberale Nationalliberale Wahlstimmen Abgeordnete
1871 1 171 087 125 32,72 32,72
1874 1 542 501 155 39,04 39,04
1877 1 459 527 128 32,24 32,24
1878 1 330 643 99 24,94 24,94
1881 746 575 47 11,84 11,84
1884 997 033 51 12,85 12,85
1887 1 677 979 99 24,94 24,94
1890 1 177 081 42 10,58 10,58
1893 996 980 53 13,35 13,35
1898 971 302 46 11,58 11,58
1903 1 317 401 51 12,85 12,85
1907 1 630 581 54 13,60 13,60
1912 1 662 670 45 11,33 11,33

Die vorstehenden Ziffern zeigen die Entwicklung der nationalliberalen Partei in Wählerstimmen und Mandaten.

Erfreulich ist die Tatsache, dass in den Wahlen 1903 und 1907 die Partei jeweils um 300 bis 400 000 Stimmen zugenommen hat.

Ich schliesse mit Wiedergabe der 1911 neu redigierten Ziele und Bestrebungen der nationalliberalen Partei (Zusammenfassung der Programmkundgebungen seit 1881 und der gesetzgeberischen Initiative der Partei in den Parlamenten), ausgegeben Februar 1911.

Nationale und liberale Grundsätze und Forderungen.

Unverbrüchliche Treue zu Kaiser und Reich, Fürst und Vaterland!
Das Vaterland über der Partei, das allgemeine Wohl über alle Sonderinteressen.
Pflege der errungenen Einheitsgüter der Nation: eine Vertretung nach aussen, ein Heerwesen, eine Kriegsflotte, ein Recht, ein Verkehrsgebiet, gleiche Bedingungen für die freie Bewegung und für die freie Arbeit.
Bei voller Wahrung der verfassungsmässigen Rechte der Einzelstaaten weitere Entwickelung der Reichseinrichtungen im nationalen und freiheitlichen Geiste.
Pflichtbewusstsein und rechtzeitige Opferwilligkeit, wo die Macht und das Ansehen des Reiches nach aussen in Frage steht. Aufrechterhaltung der deutschen Wehrkraft, insbesondere auch einer achtunggebietenden Flotte zum Schutze des Landes und der überseeischen deutschen Interessen.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/47&oldid=- (Version vom 2.9.2021)