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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

weltwirtschaftlichen Probleme in ungeahnter Weise sich in den Vordergrund drängen, in der der Kampf um die überseeischen Märkte Lebenselement eines kraftvollen vorwärts drängenden und, wie sich in der Volksvermehrung zeigt, gesunden Volkes geworden ist und der Sieg in diesem Kampfe Lebensbedingung wird. Zu den Werkzeugen einer erfolgreichen auswärtigen Politik gehört vor allem eine tüchtige und modernen Ansprüchen genügende Diplomatie: hier ist vieles reformbedürftig und gerade die nationalliberale Partei hat diese Reformbedürfnisse immer wieder betont. Eine zielbewusste Politik wird dann vor allem sieghaft sein, wenn sie ihre Stärke findet in dem Verständnis eines politisch reifen Volkes, dem die Erkenntnis der Notwendigkeit staatlicher Macht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Die nationalliberale Partei wird ihrer Vergangenheit entsprechend diese grossen nationalen Fragen immer in den Vordergrund stellen.

Was nun die liberale Seite des Programms anbelangt, so wird die nationalliberale Partei auch hier ihrer Tradition treu bleiben.

Als die Fortschrittspartei gegen die Indemnität, die dem Heeres- und Verfassungskonflikt nach dem glücklichen Kriege des Jahres 1866 ein Ende machen sollte, ankämpfte, da konstituierte sich auf Grund einer von Lasker entworfenen Erklärung am 17. November 1866 die neue Fraktion der nationalliberalen Partei im preussischen Abgeordnetenhause mit 19 Mitgliedern, und am 28. Februar 1867, dem Tage vor der Eröffnung des konstituierenden Reichstags des Norddeutschen Bundes bildete sich mit 79 Mitgliedern die Fraktion der nationalliberalen Partei unter Rudolf von Bennigsen. Rudolf von Bennigsen hat die Partei eingedenk ihres Ursprungs in liberalem Geiste durch die Jahrzehnte seiner segensreichen Tätigkeit geführt.

Als Bennigsen 1883 den Parlamenten den Rücken wandte, als Kreuzzeitung und ultramontane Presse jubelten, dass ein Politiker ausschied, der ihnen von Anfang an gefährlicher erschienen war, als die bürgerlichen Radikalen, da war der Grund dieses Ausscheidens nicht zum letzten die tiefe Verstimmung über die Streitigkeiten der liberalen Parteien untereinander, welche den Liberalismus zur Bedeutungslosigkeit herabsinken liessen.

Wie Böttcher mitteilt, der diese Periode mit erlebt hat, trat Bennigsen zurück, weil er sich überzeugt hatte, dass der Fraktionsgeist insbesondere auf der Linken zu stark überwuchere, um einen gemeinsamen Boden positiven Schaffens zu ermöglichen, und weil er auch die Möglichkeit einer vermittelnden Tätigkeit zwischen Regierung und Volksvertretung derzeit nicht sah.

1887 trat Bennigsen wieder in den Reichstag ein. Der Kampf war, nachdem das Hochgefühl des Septenatswahlkampfes verflogen war, nicht leichter für den liberalen Führer geworden.

Als die wirtschaftlichen Fragen eine immer grössere Bedeutung gewannen und die Agrar-Konservativen mit dem Antrag Kanitz ihre Zeit für gekommen erachteten, da war es Bennigsen, der in der schärfsten Weise gegen die Gemeingefährlichkeit dieser Forderung auftrat und zur Umkehr von einer wüsten Agitation mahnte; er rief auf zum Kampf gegen eine Hand voll Fanatiker, die in einer solch gefährlichen Weise die Agitation für die Landwirtschaft betrieben.

Als durch Zentrum und Konservative bei der Umsturzvorlage des Jahres 1895 die Freiheit der Wissenschaft und Kunst bedroht war, da war es wiederum Rudolf von Bennigsen, der im Reichstag den Kampf gegen den schwarzblauen Block aufnahm und aussprach, dass es eine absolute Forderung der Wissenschaft und ihrer notwendigen Freiheit ist, dass sie voraussetzungslos in der Erforschung der Wahrheit ihre Arbeiten vollziehe und er forderte auf, die Versuche, einen Eingriff in diese freie voraussetzungslose Wissenschaft zu machen, abzuschlagen.

Als Frh. v. Stumm das allgemeine Wahlrecht scharf angriff, da sprach Rudolf von Bennigsen folgende Worte ans:

„Wie soll die Entziehung des Wahlrechts möglich sein in Deutschland, wo wir die allgemeine Wehrpflicht besitzen, wo der Masse der Bevölkerung eine so erhebliche Verpflichtung auferlegt ist ? Wir befinden uns nicht in einem aristokratischen Staate, wo der Adel und die Besitzenden allein das Heer ausrüsten, nein, auch die übrigen Massen sind zum Waffendienst verpflichtet und erzogen. Der Versuch, diesen das Wahlrecht zu
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/45&oldid=- (Version vom 2.9.2021)