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erwerben und daraus seinen Bedarf decken werde. Wenn die übrigen sich dann aber für die Versorgung des Inlandes allein wieder zu einem Kartell vereinigten, würde die deutsche Landwirtschaft sehr viel höhere Preise zu bezahlen haben. Um das zu verhindern, hielt die Reichsregierung allein ein Zwangssyndikat für geeignet. In einem ersten Entwurf, den Preussen Ende 1909 an den Bundesrat brachte, sollte nur den schon fördernden Werken der Beitritt gestattet sein, alle anderen sollten entschädigt werden. Dies war aber eine Benachteiligung der Gegenden, in denen man noch Kali zu finden hoffte, und der Unternehmungen, die mit Schachtbau beschäftigt waren. Daher machte der 2te Entwurf allen neuen Werken den Beitritt möglich, freilich anfangs mit nur sehr geringen Beteiligungsziffern. Die Erwartung der Regierung, dass das von der Gründung neuer Werke abschrecken werde, erfüllte sich nicht. Vielmehr wurden, was Einsichtige vorausgesehen hatten, noch viele weitere Millionen in die Industrie hineingesteckt und die Überkapitalisation enorm vergrössert, zumal auch manche der älteren Werke auf abgetrennten Feldesteilen neue Schachtanlagen errichteten. Durch den Reichstag wurden noch Bestimmungen im Interesse der Arbeiter in das Gesetz hineingebracht, wonach die Beteiligungsziffern eines Werkes im selben Verhältnis gekürzt werden sollen, in dem sich der Lohn der Arbeiter gegenüber dem Durchschnitt von 1907–9 vermindert.

Das Gesetz statuiert also ein Zwangssyndikat und legt ein Handelsmonopol in dessen Hände: Kali darf nur durch die Vertriebsstelle verkauft werden. Ferner setzt das Gesetz die Höchstpreise für Kali auf 3 Jahre fest, die späteren Preisfestsetzungen erfolgen durch den Bundesrat nach Anhörung der Kaliwerksbesitzer und der Verbraucher von 5 zu 5 Jahren. Die jetzt geltenden Preise sind gegen die früheren nur sehr wenig ermässigt worden. Eine sog. Überkontingentssteuer trifft diejenigen Werke, die die ihnen zugebilligten Absatzgebiete überschreiten. Diese Steuer richtete sich hauptsächlich gegen die grossen, nur etwa zur Hälfte des Inlandpreises abgeschlossenen aussersyndikatlichen Verkäufe einiger Werke nach Amerika. Ausserdem ist noch eine allgemeine Steuer von 0,60 Mk. pro DZ. eingeführt worden, welche zur Deckung der Syndikatskosten und zur Förderung des Kaliabsatzes dienen soll. Ein derartiges Zwangskartell ist übrigens keineswegs etwas Neues, sondern ein solches ist schon 1896 in der russischen Zuckerindustrie, später in der rumänischen Petroleumindustrie und der sizilianischen Schwefelindustrie geschaffen worden.

Der Haupteinwand gegen dieses staatliche Eingreifen in die Kalindustrie ist wohl, dass dadurch die enorme Überkapitalisation nicht vermindert, sondern im Gegenteil noch vermehrt wird, wie die neueste Entwicklung schlagend oder zum grössten Schaden der deutschen Volkswirtschaft bewiesen hat. Je früher freie Konkurrenz eingetreten wäre, um so vorteilhafter wäre das für die ganze Volkswirtschaft gewesen. Denn es hätte ihr Hunderte von Millionen erspart, die jetzt unproduktiv in dieser Industrie angelegt sind. Im Interesse der augenblicklichen Rentabilität seiner eigenen und der neueren schwächeren Werke hat der Staat aber immer wieder zum Zustandekommen des Syndikats gewirkt. Er hat auch die hohen Preise sanktioniert, die nötig waren, um den Werken, die alle nur zu einem Bruchteil ihrer Leistungsfähigkeit beschäftigt sind, trotz der dadurch enorm gesteigerten Selbstkosten eine gewisse Rentabilität zu sichern. Heute noch die freie Konkurrenz eintreten zu lassen, erscheint allerdings nicht zweckmässig. Weniger mit Rücksicht auf das Ausland. Denn es gibt, wie wir sahen, andere Mittel, dafür zu sorgen, dass die inländische Landwirtschaft das Kali nicht teurer bekommt als das Ausland. Vielmehr vor allem deshalb, weil die nötige Propaganda zur Ausdehnung des Absatzes am besten durch eine gemeinsame Organisation erfolgt. Eine solche Propaganda hat das Syndikat auch in die Hand genommen und so war das zwangsweise Zusammenhalten desselben wohl der beste Ausweg. Aber – und daran hat es das Gesetz fehlen lassen – es hätten gleichzeitig ganz bedeutende Preisherabsetzungen stattfinden müssen, um den Absatz auszudehnen. Denn eine ganze Anzahl von Werken kann, wofern sie vollbeschäftigt sind, bei nur die Hälfte der heutigen betragenden Preisen noch sehr gut verdienen. Das Hochhalten der Preise, nur um alle die schwächeren für die Versorgung des Bedarfs ganz überflüssigen Werke, die aus spekulativem Übereifer gegründet sind, am Leben zu erhalten, entspricht aber nicht dem Interesse der ganzen Volkswirtschaft.

Allgemein ergibt sich aus der neueren Entwicklung der Kaliindustrie für die Kartellpolitik der Satz, dass der Staat sich an monopolisierten Erwerbszweigen nicht mit eigenen Unternehmungen

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/434&oldid=- (Version vom 1.11.2021)