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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2


III. Staatliche Preisfestsetzungen.

Nichtsdestoweniger kann der Staat unter Umstünden gezwungen sein, direkt in die Preisfestsetzungen der Kartelle einzugreifen, sofern er sie als der Gesamtheit schädlich erkennt. Dieser abgesehen von der Verstaatlichung tiefste Eingriff des Staats in einen Erwerbszweig darf aber nur im Notfall erfolgen, wenn die sonstigen gleich zu erwähnenden indirekten Massregeln der Wirtschaftspolitik versagen, und es müssen dafür besondere aus Sachverständigen zusammengesetzte Organe geschaffen werden. So habe ich schon vor mehreren Jahren die Errichtung von Kartellkommissionen vorgeschlagen, die aus den beteiligten Interessengruppen, also kartellierten Unternehmern, etwaigen Aussenstehenden, Weiterverarbeitern, Konsumenten, Händlern, Arbeitern, unter Mitwirkung von sonstigen Sachverständigen und Regierungsbeamten für jeden Fall, dass erhebliche Klagen über die Tätigkeit eines Kartells laut werden und andere Massregeln versagen, zu bilden wären. Tatsächlich hat denn auch die Reichsregierung bei ihrer Regelung der Kaliindustrie (s. darüber unten) in die Preisfestsetzungen eingegriffen d. h. Höchstpreise festgesetzt und die Änderung derselben von einer Entscheidung des Bundesrates unter Zuziehung von Sachverständigen abhängig gemacht.

IV. Zollpolitische Massregeln.

Jedenfalls aber kann der Staat das Kartellwesen nicht durch allgemeine gesetzliche Normen regeln, sondern nur durch eine spezielle Kartellpolitik, indem er in jedem einzelnen Falle besondere Massregeln anwendet. Als solche kommen vor allem die Mittel der Wirtschaftspolitik in Betracht und von ihnen liegen Massregeln auf dem Gebiete des Zollwesens besonders nahe. Sie treffen zwar in der Hauptsache nur zollgeschützte Industrien, aber ihnen gegenüber wird es damit in den meisten Fällen möglich sein, übermässigen Preiserhöhungen der Kartelle entgegenzuwirken. Dahin gehört natürlich vor allem die Herabsetzung oder Aufhebung der Zölle. Man hat vorgeschlagen, eine dahingehende Bestimmung in das Zolltarifgesetz aufzunehmen. Es wurde aber dem keine Folge gegeben. In den meisten Fällen dürfte schon der Umstand, dass eine Zollherabsetzung im Reichstage erörtert wird, genügen, um das Kartell vorsichtiger in seiner Preispolitik zu machen.

Praktisch angewendet wurden derartige Massregeln Kartellen gegenüber zuerst in Kanada auf Grund der Zolltarifgesetze von 1897 und 1907. So wurde dem kanadischen Papierkartell gegenüber der Papierzoll von 25 auf 15% herabgesetzt. Noch weiter ist Neu-Seeland gegangen. Ein Gesetz von 1907 bezweckt Schutz der Konsumenten gegen die Monopole im Mehl-, Weizen- und Kartoffelhandel und ermöglicht auf Vorschlag einer Untersuchungskommission Aufhebung der betr. Zölle auf mindestens 3 Monate.

Umgekehrt wurden Zollerhöhungen empfohlen, um die inländische Industrie vor den monopolistischen Organisationen des Auslandes zu schützen, welche, um eine Überproduktion im eigenen Lande zu beseitigen, billig exportieren. Man hat vorgeschlagen, in die Handelsverträge eine Antiexportprämienklausel aufzunehmen, welche dem Staate das Recht geben soll, die Zölle auf eine Ware zu erhöhen, die von einem ausländischen Staate billiger exportiert als im eigenen Lande verkauft wird. Aber eine solche Massregel ist schwierig durchzuführen. Der billige Export ist nicht leicht festzustellen und erfolgt sehr oft auch nur vorübergehend. Auch dieses Mittel ist insbesondere in Kanada angewendet worden, namentlich gegenüber dem billigeren Export amerikanischer Trusts.

Der billigere Export mancher Rohstoffe und Halbfabrikate wird aber auch im Inlande von den Weiterverarbeitern naturgemäss nicht gern gesehen, und um ihn zu bekämpfen, hat man eine weitere zollpolitische Massregel vorgeschlagen: den Ausfuhrzoll. Der Plan eines Ausfuhrzolls auf Kohle wurde in den Zeiten der Kohlenknappheit 1900 und 1906, bei den Zolltarifverhandlungen und bei der ersten Reichsfinanzreform viel erörtert, der eines Kaliausfuhrzolls namentlich im Sommer 1909, als das Kalisyndikat zu scheitern drohte. Letzterer hätte deswegen grosse Bedeutung, weil eir ein Mittel gäbe, um auch ohne ein Zwangssyndikat in der Kaliindustrie, also auch bei freier Konkurrenz

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/431&oldid=- (Version vom 1.11.2021)