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Den letzten und stärksten Stoss erhielt das Silber dadurch, dass die britisch-indische Regierung ihm im Juni 1893 ihre Münzstätten verschloss, die bis dahin, da in Indien seit 1853 reine Silberwährung bestand, jährlich 80 bis 100 Mill. Rupien geprägt hatten. Der Preis fiel sofort auf 31½ Pence und, da im November auch die Sherman-Akte aufgehoben wurde, auf 27 Pence und noch tiefer. In den letzten Jahren schwankte er zwischen 21¾ und 329/16, und gegenwärtig bewegt er sich zwischen 27 und 28 Pence. Noch einmal unternahm Amerika einen Feldzug zugunsten des Silbers, indem es 1898 Delegierte nach Europa sandte, denen es gelang, mit Frankreich in der Tat einen bimetallistischen Vertrag auf Grund des Wertverhältnisses 15½ : 1 zustande zu bringen. Bedingung war jedoch die Wiedereröffnung der indischen Münzstätten für freie Silberprägung, und diese wurde von der englischen Regierung verweigert. Seitdem ist die bimetallistische Bewegung gänzlich verschwunden und zwar hauptsächlich infolge des enormen Anschwellens der Goldproduktion, die von rund 400 Mill. Mk. im Durchschnitt der Jahre 1881 bis 85 auf 1900 Mill. in den letzten Jahren gestiegen ist. So konnte Russland 1898 nicht nur von der Papierwährung zur effektiven Goldwährung übergehen, sondern auch einen Goldvorrat von 1400 Mill. Rubel (über 2800 Mill. M.) in den Gewölben seiner Reichsbank ansammeln. Österreich-Ungarn nahm 1892 ebenfalls die Goldwährung an mit Beibehaltung seines – nur mässigen – Bestandes an Silberwährungsmünzen. Die österreichisch-ungarische Bank ist allerdings noch nicht zur Bareinlösung ihrer Noten verpflichtet, es ist ihr aber gelungen, den Kurs derselben gegen Gold mit genügender Festigkeit aufrechtzuerhalten. Rumänien, Serbien und Bulgarien haben das Frankensystem mit beschränkter Zahlungskraft aller Silbermünzen, also Goldwährung. Diese besteht auch in der Türkei, ferner prinzipiell in den süd- und mittelamerikanischen Staaten, von denen allerdings mehrere sich tatsächlich noch mit uneinlöslichem und entwertetem Papiergeld behelfen müssen. Nur Argentinien ist imstande gewesen, den Kurs seines Papiergeldes gegen Gold festzulegen, indem für einen Teil der Noten eine Einlösungskasse gegründet wurde. Die Vereinigten Staaten sind durch ihre Silbergesetze von 1878 und 1890 (nach Ausprägung des auf Grund des Sherman-Akte angesammelten Silbers) zu einer hinkenden Doppelwährung mit einem Bestand von 570 Mill. Standard-Dollars – die allerdings im Verkehr grösstenteils durch Silberzertifikate vertreten sind – geführt worden. Auch Mexiko hat seit 1904 eine Art hinkender Doppelwährung, indem zwar ein Goldpeso von 750 Milligramm Feingewicht als Einheit angenommen wurde, aber auch die ganzen Silberpesos unbeschränkte Zahlungskraft behielten. Ein grosser Teil der letzteren ist aber in den Jahren des erhöhten Silberpreises (1905–07) ausgeführt und durch Gold ersetzt worden. Japan hat seit 1897 Goldwährung, ebenfalls mit einer Einheit von 750 Milligramm Feingewicht. Eine eigentümliche im Grunde, ebenfalls hinkende Doppelwährung besteht in Britisch-Indien: Der Sovereign hat seit 1898 gesetzliche Zahlungskraft, es werden aber auch Silberrupien mit Währungskraft zu dem bedeutend überwerteten Preise von 16 Pence in beliebiger Menge gegen Einlieferung von Gold ausgegeben und es sind seit 1904 wieder durchschnittlich jährlich 150 Mill. Rupien geprägt worden. Ein ähnliches System, nämlich ein in beschränkter Menge für Rechnung der Regierung ausgegebener unterwertiger Silberdollar mit festem Kurs und Einlöslichkeit gegen Pfund Sterling, ist in den hinterindischen britischen Besitzungen eingeführt worden. Dieses System des „Gold Exchange Standard“ mit einem unterwertigen einlöslichen silbernen Währungsdollar haben die Amerikaner auch auf den Philippinen angenommen. Reine Silberwährung, aber bisher nur durch Barren, fremde und Provinzialmünzen dargestellt, besteht nur noch in China. Auch dort aber hegt man den Plan, eine silberne Reichsmünze zu schaffen, die nur auf Rechnung des Staates geprägt und durch eine Einlösungskasse auf einen festen Wert gegen Gold erhalten werden soll. Die Silberfrage ist also jetzt nicht nach dem bimetallistischen Programm mit freier Silberprägung gelöst, sondern in mehreren Staaten durch hinkende Doppelwährung ohne neue Prägung von Silberwährungsmünzen, in einigen aber durch beschränkte, den Regierungen vorbehaltene Prägung von solchen mit Festhaltung eines erhöhten auf Gold bezogenen Kreditwerts derselben.



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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/372&oldid=- (Version vom 16.10.2021)