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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Zahlung gegeben werden könnten, im übrigen aber nur nach dem Gewicht (62 Pence für die Unze Münzsilber) angenommen zu werden brauchten. Damit war den Silbermünzen eigentlich schon die Eigenschaft als vollgültiges Währungsgeld entzogen. Im Jahre 1791 wurde auch die weitere Ausprägung von Silbermünzen gesetzlich suspendiert. Diese ganze Entwicklung hat sich ohne Zweifel im Einverständnis mit der öffentlichen Meinung vollzogen, denn andernfalls hätte sie leicht durch Herabsetzen des relativen Goldwertes gehemmt werden können. Sie wurde jedenfalls begünstigt durch die bedeutende Steigerung der Goldproduktion Brasiliens in den beiden ersten Dritteln des 18. Jahrhunderts, denn dieses Gold floss infolge der handelspolitischen Abhängigkeit Portugals von England grösstenteils nach London ab. Durch die 1797 in England beginnende Papiergeldwirtschaft wurde die volle Ausbildung der Goldwährung um beinahe zwei Jahrzehnte verzögert. Sie kam erst durch das Gesetz vom 22. Juni 1816 zum Abschluss, das den Sovereign als Repräsentanten des Pfundes Sterling in Gold einführte und Silbergeld nur in unterwertigen Scheidemünzer mit auf 40 Schilling beschränkter Zahlungskraft beibehielt. Auch die Vereinigten Staaten wurden, fast ohne es zu merken, aus der Doppelwährung zur Goldwährung geführt. Das dem Golde zu ungünstige Wertverhältnis 15 : 1 wurde 1834 durch 16 : 1 (seit 1837: 15.988 : 1) ersetzt, das seit dem gewaltigen Aufschwung der Goldproduktion mit den Londoner Silberpreisen, die schliesslich dem Verhältnis 15.1 : 1 entsprachen, immer unvereinbarer wurde. Die Silberdollars wurden daher ausgeführt, neue konnten nicht mehr geprägt werden, und man sah sich schon 1853 genötigt, Teilstücke des Dollar als unterwertige Scheidemünzen mit Zahlungskraft bis 5 Doll. auszugeben. Die Goldprägungen dagegen gewannen einen sehr grossen Umfang und wurden auch durch die Papiergeldwirtschaft während des Bürgerkrieges und nachher nicht unterbrochen. Die formelle Einführung der Goldwährung erfolgte durch das Gesetz vom 12. Februar 1873, das den Silber-Standard-Dollar aus der Reihe der amerikanischen Münzen strich und durch den nur als Handelsmünze geltenden Trade-Dollar ersetzte.

Auch in Frankreich gelangte das Gold, wie schon oben bemerkt, in den fünfziger und sechziger Jahren entschieden zur Vorherrschaft, und nach einer 1868 veranstalteten Enquete traf man bereits Vorkehrungen, ihm auch gesetzlich die Stellung als einziges Währungsmetall zu verleihen. Die Menge der noch vorhandenen silbernen Fünffrankenstücke schätzte man – viel zu niedrig – auf etwa 800 Mill. Franks, und man glaubte, davon einen Teil ohne Schaden verkaufen und den Rest mit beschränkter Zahlungskraft behalten zu können.

So hatten am Ende der sechziger Jahre die drei damals weltwirtschaftlich bedeutendsten Länder entweder gesetzliche oder faktische Goldwährung, und diese Tatsache musste auch den übrigen den Gedanken nahelegen, ebenfalls diese Währung anzunehmen. Dazu kam die Erwägung dass eine Wertverminderung des Goldes um so weniger zu befürchten sei, je weiter sich seine Verwendung als Geldmetall ausbreite, und ferner die Rücksicht auf die unzweifelhaft grössere Bequemlichkeit des Goldgeldes im Vergleich mit dem Silber, die sich um so mehr bemerklich macht, je höher die Summen steigen, in denen sich die Umsätze des modernen Verkehrs bewegen. Eine 1867 in Paris tagende internationale Münzkonferenz, an der sich 20 Staaten beteiligten, sprach sich nicht nur fast einstimmig für den Uebergang zur Goldwährung aus, sondern befürwortete auch die Schaffung einer internationalen Münze in Gestalt eines 25-Frankstücks, dem der englische Sovereign und der amerikanische halbe Eagle anzupassen wären. Für die Silberwährung sprach sich nur Holland aus, doch verhielt sich auch Preussen den neuen Plänen gegenüber einigermassen zurückhaltend. Österreich dagegen kündigte 1867 die Münzkonvention von 1857 und fing an, die Goldwährung vorzubereiten. In den folgenden Jahren sprach sich auch in Deutschland die öffentliche Meinung immer entschiedener für die Goldwährung ans, und nachdem durch die französische Kriegsentschädigung beinahe 600 Millionen Franks in effektivem Gold herübergeflossen waren, konnte die Münzreform ohne Schwierigkeit in Angriff genommen werden. Zunächst wurde durch das Gesetz vom 4. Dezember 1871 die Prägung von Goldmünzen nach einem neuen Typus vorgeschrieben und die weitere Prägung von Silbermünzen (mit Ausnahme von Denkmünzen) verboten. Als neue Einheit wurde der Wert von einem Drittel-Taler angenommen, der nach dem Wertverhältnis 15½ : 1 in Gold dargestellt wurde. Die neuen Münzen erhielten volle gesetzliche Zahlungskraft, aber die Rechnungseinheiten blieben zunächst noch die alten, indem z. B. das 20-Markstück 6⅔ Taler galt. Erst das Gesetz vom 9. Juli

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/370&oldid=- (Version vom 16.10.2021)