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längere Zeit bestehen. Sie entsprach eigentlich dem Ideal mancher Theoretiker, wie Garnier in Frankreich und Grote in Deutschland, die meinten, man müsse es jedem überlassen, zu entscheiden, ob er Gold- oder Silbermünzen haben wolle. Noch im Jahre 1883 wurde dieses System von A. Eggers als Duometallismus im Gegensatz zum Bimetallismus empfohlen. Dass es schon allein durch die dabei nötige doppelte Rechnungsführung bei der heutigen Ausdehnung des Verkehrs praktisch unhaltbar wäre, bedarf keines weiteren Nachweises.

Staatliche Tarifierungen der Goldmünzen gegen die Silbermünzen kamen schon früher häufig vor, sie blieben aber wirkungslos, zumal dabei die Absicht mit im Spiel war, die Silbermünzen über ihren inneren Wert zu erhöhen. Eine eigentliche Doppelwährung wurde zuerst durch das amerikanische Gesetz vom 2. April 1792 eingeführt. Dieses setzt für Gold und Silber ein Wertverhältnis von 15 : 1 fest, erklärte die hiernach geprägten Gold- und Silbermünzen für unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel und bestimmte ferner, dass jedermann Gold und Silber in beliebiger Quantität in die Münzanstalten bringen könne und dieses Metall in möglichst kurzer Zeit in geprägtem Zustand zurückerhalten werde, dass er dafür aber auch sofort fertige Münzen mit Abzug von einem halben Prozent Zinsvergütung erhalten könne. Diese drei Merkmale, das gesetzliche Wertverhältnis, die unbeschränkte Zahlungskraft der beiden Münzarten nach diesem Verhältnis und die freie Prägung beider Metalle für jedermann, unentgeltlich oder gegen eine nur die Kosten deckende Gebühr, sind für die Doppelwährung charakteristisch. Dieses amerikanische Gesetz hatte indes nur geringe praktische Bedeutung, da nur wenig Münzen geprägt wurden und das kommerzielle Verhältnis der beiden Edelmetalle sich in den nächsten Jahren zugunsten des Goldes merklich verschob. Weit wichtiger war die durch das Gesetz vom 7. Germinal des Jahres XI (28. März 1803) geschaffene französische Doppelwährung. Ihre Basis, der Frank, war ursprünglich im Jahre 1795 als Silberwerteinheit (5 Gramm zu 900/1000 Feinheit) eingeführt worden und Goldmünzen sollten damals nur als Handelsmünzen geprägt werden. Das neue Gesetz aber verordnet die Prägung von Goldmünzen zu 20 und 40 Franks nach dem Wertverhältnis 15½ : 1 mit unbeschränkter Zahlungskraft. Dieses Wertverhältnis war schon der 1785 von Calonne durchgeführten Umprägung der Goldmünzen zugrunde gelegt worden, eine rein fiskalischen Massregel, die nur den Zweck hatte, aus 30 alten Louisdor 32 neue zu machen. Im Jahre 1803 aber entsprach das Verhältnis 15½ : 1 infolge der Wertsteigerung des Goldes dem auf dem Barrenmarkt geltenden, und die neue Doppelwährung trat daher unter günstigen Bedingungen in Kraft. Die Prägung beider Metalle für Privatrechnung war unbeschränkt, jedoch wurde eine Gebühr erhoben, die anfangs namentlich für das Silber ziemlich hoch war und später herabgesetzt wurde, jedoch niemals den Charakter eines fiskalischen Schlagschatzes hatte. Dieses französische Doppelwährungssystem hat sich ohne Zweifel mit grossem Erfolge siebzig Jahre lang behauptet, trotzdem die Produktionsverhältnisse der beiden Edelmetalle in dieser Zeit ungewöhnlich grosse Verschiebungen erfuhren. Das Marktverhältnis von Gold und Silber zeigte zwar Abweichungen von dem französischen gesetzlichen Verhältnis, aber diese blieben doch sehr klein im Vergleich mit den seit 1873 eingetretenen. Es kam dies unzweifelhaft daher, dass die französische Doppelwährung selbst eine entschiedene Wirkung dahin ausübte, dass der Preis des Silbers gegen Gold und somit das kommerzielle Wertverhältnis der beiden Metalle von dem in Frankreich offiziell geltenden sich nicht weit entfernen konnte. Frankreich hatte immer eine günstige Zahlungsbilanz und daher auch immer einen grossen Bestand an Edelmetallgeld. Stand nun der Silberpreis in London niedriger, als dem französischen Wertverhältnis entsprach, so wurde nur Silber zu der Saldozahlung an Frankreich verwandt, stand er höher, so floss fast ausschliesslich Gold dorthin ab. Ausserdem aber konnte das jeweilig in London im Werte steigende Metall in Frankreich gegen das sinkende eingetauscht werden, dies jedoch nicht ohne weiteres, sondern nur gegen eine hauptsächlich der Bank von Frankreich zugute kommende Prämie. Denn die Doppelwährung bedeutet nicht, dass man nach Belieben von dem Schuldner Gold- oder Silbergeld fordern kann, sondern dass der Schuldner berechtigt ist, nach seiner Wahl in dem einen oder dem anderen Gelde zu zahlen. Die Bank löste also ihre Noten immer in dem billigeren Metall ein und gab das andere nur gegen besondere Vergütung ab. Frankreich hatte im Anfang des 19. Jahrhunderts einen grossen Vorrat an Goldmünzen, und noch bis 1820 überwog die Goldprägung die Silberprägung, dann aber trat ein Umschwung ein, und in den dreissiger Jahren finden wir eine grosse Anschwellung

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/368&oldid=- (Version vom 16.10.2021)