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Börsenterminschuld zur Aufrechnung zu bringen (§ 56). Die im Einverständnis mit dem anderen Teil bewirkte Vollziehung der Leistung heilt die Unverbindlichkeit (57). Für die erlaubten Termingeschäfte, in solchen Waren oder Wertpapieren, die am Terminhandel an einer Börse zugelassen sind (offizielle Termingeschäft), besteht noch die Sonderheit, dass bei ihnen der sogen. Differenzeinwand ausgeschlossen ist.

Ein verbotenes Börsentermingeschäft ist nichtig. Aber auch hier bestehen hinsichtlich des Rückforderungsrechtes einer vollzogenen Leistung Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen: handelt es sich um ein verbotenes Börsentermingeschäft in Getreide und Müllereierzeugnissen, so ist das Recht der Rückforderung auf zwei Jahre beschränkt, sofern nicht vorher der Rückfordernde dem Rückforderungsschuldner den Willen der Rückforderung schriftlich mitgeteilt hat. Bei allen anderen verbotenen Börsentermingeschäften ist die Rückforderung einer einmal vollzogenen Leistung überhaupt ausgeschlossen.

Nicht als verbotene Börsentermingeschäfte gelten handelsrechtliche Lieferungsgeschäfte in Getreide und Erzeugnissen der Getreidemüllerei, wenn der Abschluss nach den vom Bundesrat genehmigten Geschäftsbedingungen erfolgt und als Kontrahenten nur beteiligt sind 1. Erzeuger oder Vorarbeiter von Waren derselben Art, wie die, welche den Gegenstand des Geschäftes bilden oder 2. solche Kaufleute oder eingetragene Genossenschaften, zu deren Geschäftsbetrieb der Ankauf, Verkauf oder die Beleihung von Getreide oder Erzeugnissen der Getreidemüllerei gehört (§ 67).

Der vorsätzliche Abschluss eines verbotenen Getreidetermingeschäftes wird mit einer Ordnungsstrafe bis zu 10 000 Mk. bestraft. Für die Verhandlung und Entscheidung über die Festsetzung der Ordnungsstrafe sind durch die Landesregierung bei den Börsen Kommissionen zu bilden. Die nähere Regelung dieses eigentümlichen Ordnungsstrafverfahrens findet sich im fünften Abschnitt des Börsengesetzes. Der sechste Abschnitt endlich enthält ziemlich scharfe Strafbedingungen, die die Innehaltung der Vorschriften des Börsengesetzes zu sichern bestimmt sind.

VI. Ergebnis. Dass die gegenwärtige Regelung des deutschen Börsenwesens einen ausserordentlichen Fortschritt gegenüber dem Recht des alten Börsengesetzes bedeutet, ist gewiss nicht zu verkennen. Es ist auch ohne weiteres zuzugeben, dass die Entfaltung des legitimen Börsenhandels durch die Vorschriften des neuen Gesetzes nicht gehindert wird. Immerhin haften im Gesetze noch einige sehr erhebliche Mängeleien. Der wesentlichste Mangel ist wohl die Beschränkung des Ausschlusses des Differenzeinwandes auf offizielle Börsentermingeschäfte. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum dieses Privileg nur der offizielle Handel, nicht aber auch der sonstige erlaubte Börsenterminhandel geniessen soll. Ueberhaupt sollte, nachdem die börsenunkundigen Kreise durch die Vorschriften über die Termingeschäftsfähigkeit genügend vor den Gefahren der Börsenspekulation gesichert sind, das Institut des Differenzgeschäftes aus dem deutschen Rechtssystem ausgemerzt werden.

Auf der anderen Seite geht das Gesetz über den Sicherungszweck weit hinaus, wenn es auch Bankiers die Erhebung des Termingeschäftseinwandes gestattet, sofern den Gegenkontrahenten die Termingeschäftsfähigkeit fehlt. Diejenige Partei, die termingeschäftsfähig ist, sollte an das Geschäft auch gebunden sein. Das sog. Buketshopunwesen wird durch die verfehlte gesetzliche Regelung geradezu gezüchtet.



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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/365&oldid=- (Version vom 15.10.2021)