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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2


b) Privatwirtschaftliche Vorteile.

Durch die genaue Übersicht, welche die Grossbank durch Filialen, Agenturen, Kommanditen, Tochter- und Konzernbanken und Depositenkassen über die Lage der Gesamtwirtschaft im In- und Ausland in stets grösserem Masse gewinnt, ist sie auch in der Lage, die Emissions- und Absatz-Möglichkeit für die von ihr für eigene oder fremde Rechnung emittierten staatlichen, industriellen, kommerziellen und eigenen Werte genau beurteilen zu können. Sie vermag also danach mit geringeren Irrtumsgrenzen ihre Entschliessungen auf diesem Gebiet zu fassen und die Werte in sicherer Kundschaft zu dauernder Kapitalanlage fest zu plazieren.

Sie kann das laufende Geschäft, welches auch in ungünstigen Zeiten eine angemessene Höhe der Dividende verbürgt, und die Heranziehung fremder Gelder im Wege organischer Pflege des Depositengeschäfts, welche eine gewisse Stetigkeit der Dividenden sichert, systematischer pflegen. Damit steigert sie ihre Bewegungsfreiheit auf dem Geldmarkt, ihren eigenen Kredit und ihre Interventionskraft zugunsten der Klientel. Sie ist dann aber auch in der Lage, der Kundschaft zuverlässige Informationen und Erleichterungen jeder Art, namentlich in ihren Anlage-, Wechsel-, Devisen- und Zahlungsbedürfnissen, zu gewähren, sie an den Scheckverkehr zu gewöhnen, durch den auch kleine Beträge, die an sich zinslos liegen bleiben würden, durch Vermittelung der Bank produktiv werden. Dadurch wird, da bei bankmässiger Vermittelung der Scheckverkehr immer nur der Durchgangsverkehr zum Überweisungs- und Abrechnungsverkehr sein wird, der Bargeldumlauf im Zahlungsverkehr vermindert und der sonach im Zahlungsverkehr frei werdende Betrag zur Verfügung des Kreditverkehrs gestellt.

Zu diesen privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten der Konzentrationsentwicklung im Bankwesen gesellt sich aber nicht etwa eine Verringerung der Geschäfts- und Verwaltungskosten, die man an sich erwarten würde. Vielmehr sind diese Generalunkosten, bisher wenigstens, fast beständig gestiegen, und zwar bei sämtlichen deutschen Kreditbanken (mit einem Kapital von mindestens 1 Million M.) von 12,4 Millionen M. im Jahre 1883 auf 165,2 Millionen M. a. 1910; bei den 6 Berliner Grossbanken betrugen sie im Jahre 1910: 30,7% des Bruttogewinns. Die Gründe liegen einerseits darin, dass die angegliederten Unternehmungen meist selbständig blieben, und andererseits darin, dass es in der Regel lange Zeit dauert, bis die Filialen, Agenturen, Depositenkassen und Tochtergesellschaften sich aus eigener Kraft erhalten können.

2. Gefahren.

Von den Gefahren der Konzentrationsentwicklung ist zunächst die naheliegende Gefahr zu erwähnen, dass im Emissions-Verkehr, was namentlich für die staatlichen Anleihen bedenklich wäre, eine gewisse Monopolisierung durch die Grossbanken und deren Gruppen eintreten könnte. Diese Gefahr liesse sich allerdings, wie in Frankreich, auch bei uns durch ein festes Syndikat von selbständig gebliebenen Provinzbanken, wenn auch nicht ausschliessen, so doch wesentlich vermindern.

Eine durchaus nicht geringere Schattenseite der Konzentrationsentwicklung besteht darin, dass die Zweigstellen, Kommanditen und Tochtergesellschaften sowie die durch Interessengemeinschaft verbundenen Institute Geld- und Kreditsanprüche an die Zentralbank, noch dazu vielleicht in kritischen Zeiten, stellen, die unbequem werden könnten, und zwar ohne dass die zweckmässige Verwendung der Gelder und Kredite stets ausreichend kontrolliert werden kann.

Mit solchen Ansprüchen, die den auch an die Zentrale gestellten Anforderungen der fieberhaft vorwärts drängenden Industrie und des Handels zu einem wesentlichen Teil ihr Dasein verdanken, hängt zugleich die im Verlauf der Konzentrationsbewegung festzustellende, bis 1908 fast ständig gewachsene Verschlechterung sowohl der Banken-Liquidität wie der Bilanz-Klarheit und Übersichtlichkeit die Überspannung der Kredite sowie der Ansprüche an die Reichsbank, die Versteifung des Status und die Erschwerung der Diskontpolitik der letzteren eng zusammen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/358&oldid=- (Version vom 12.10.2021)