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Bis es dahin kam, waren aber viele und schwere Etappen zu überwinden. Die Verbindung der Bank mit dem industriellen Unternehmen wurde zunächst auf dem Wege der Kreditgewährung eingeleitet und gefördert. Von dem Abschluss eines dauernden Kontokorrentverhältnisses, welches der Bank schon durch das jederzeitige Kündigungsrecht einen gewissen Einfluss verleiht, geht der Weg über die verschiedenen anderen Formen der Kreditgewährung (Akzept-, Diskontierungs-, Lombard-, Report- und Kommissionsgeschäft). Von hier aus führt die Reise, die nicht ohne die grössten Hemmungen und Konkurrenzkämpfe abgeht, zu den Macht erhöhenden und Gewinn versprechenden Umwandlungen und Emissionen oder zur Vermittlung von Fusionen und zu dauernder Beteiligung an industriellen Unternehmungen. Damit ist dann die Bahn frei für die allmähliche Eroberung ganzer industrieller Wirtschaftsgebiete, für die Anbahnung intimer Beziehungen zu mächtigen Industriekartellen und Syndikaten und schliesslich zum Beginn einer engen Verbindung von Bankgruppen und Industriegruppen. So standen auch 1900 hinter den damals noch bestehenden sieben Gruppen der grossen elektrischen Unternehmungen sieben Bankengruppen, die notwendig wurden, weil die Kreditansprüche jeder einzelnen dieser industriellen Gruppen sehr rasch über die Kraft einer einzelnen Bank hinauswuchsen. Auf solche Weise wurde in diesem Stadium die Banken-Konzentration durch die Industrie-Konzentration bedingt und gefördert. Dann aber führten wieder die vielen Beziehungen, die einerseits zwischen einzelnen Industriegruppen, andererseits zwischen einzelnen Banken oder Bankengruppen infolge des sonstigen geschäftlichen Verkehrs bestanden, dahin, dass umgekehrt wieder Banken (von welchen einzelne von vornherein mehreren Gruppen angehörten) weitere Zusammenschlüsse der industriellen Gruppen veranlassten. So wurde z. B. seitens der Bankgruppen, nachdem im Jahre 1902/03 eine Interessengemeinschaft zwischen der AEG. (Allgem. Electricit.-Ges.) und der zum Loewe-Konzern gehörigen UEG. (Union, Electricit.-Ges.) hergestellt war, 1904 eine völlige Aufsaugung der UEG. seitens der AEG. herbeigeführt, womit zugleich die Aufnahme der bisher zum Loewe-Konzern gehörigen Banken in die AEG.-Gruppe, also eine völlige Verschiebung der bisherigen Industrie- und Bankengruppen, verbunden war. In dieser und ähnlicher Weise findet ein beständiges Auf- und Abwogen des Einflusses der Banken und industriellen Betriebe auf die beiderseitige Konzentrationsentwicklung und die beiderseitige Gruppenbildung statt, ein Bild, dessen Betrachtung überaus interessante Einblicke und Ausblicke bietet. Natürlich ist der Einfluss der Banken und ihrer Konzentration auf die Entwicklung und den Konzentrationsgang der verschiedenen Industriezweige ganz verschieden. Bei der Montan-Industrie, deren Syndikate auch bei Gründung und Verlängerung durch die Banken stark beeinflusst werden, ist er sehr erheblich, bei der chemischen Industrie ist er ziemlich unbedeutend, während die gewaltige Entwicklung und der Konzentrationsgang der elektrotechnischen Industrie und des Kleinbahn- und Strassenbahnwesens ohne Bankenhilfe überhaupt nicht hätte gedacht werden können.

Die Wege und Formen, in denen sich die durch alle die geschilderten Vorgänge beeinflusste Banken-Konzentration in Deutschland vollzog, waren sehr verschiedene. Diese Konzentration war einerseits eine örtliche, insbesondere die Konzentration in Berlin, andererseits eine Kapital- und Macht-Konzentration.

Die letztere vollzog sich entweder direkt, durch Kapitalserhöhungen, Angliederung von Banken oder Privatbankgeschäften, Herstellung von Interessengemeinschaften, Gründung von Tochtergesellschaften oder indirekt mittelst einer vor allem die Einflusssphäre der Bank, also deren Macht steigernden Dezentralisation des Betriebes durch Errichtung von Kommanditen, Filialen, Agenturen oder Depositenkassen.

Von den sich bietenden Konzentrationsformen wird nach dem Gesetz der Oekonomie immer diejenige bevorzugt, mit der sich der Zweck in einfachster, raschester, vollständigster, billigster und gefahrlosester Weise erreichen lässt.

Von den Berliner Grossbanken, deren man heute, wenn man ein Kapital von mindestens 100 Millionen M. als Basis nimmt, nur 6 zählt (Deutsche, Disconto, Dresdner, Darmstädter,

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/356&oldid=- (Version vom 12.10.2021)