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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Städte, in dem Wachstum der Industrie- und Grossstädte. Sie tritt zutage im Kampf des Grosshandels, der Warenhäuser und der Grossindustrie gegen Kleinhandel, Klein- und Hausindustrie und Handwerk, der „gemischten“ gegen die reinen Stahl- und Walzwerke, des Grossgrundbesitzes gegenüber dem bäuerlichen Besitze, der Grossmüller gegenüber den Kleinmüllereibetrieben u. a. m.

Die Konzentration kann sich jedoch im Bankgewerbe besonders intensiv und besonders schnell entwickeln, weil hier weit geringere technische Hemmungen vorhanden sind, als solche der Erweiterung industrieller Anlagen entgegenstehen. Zudem pflegen die Privatbankbetriebe der Banken-Konzentration durchaus nicht einen so kräftigen Widerstand entgegenzusetzen, als ihn gegenüber der industriellen Konzentration der industrielle Kleinbetrieb leistet, welchen letzteren häufig die Politik der Kartelle, zeitweise wenigstens, notgedrungen erhalten muss. Ferner treten die deutschen Kreditbanken meist in der Gewandung der Aktiengesellschaft auf, bei der die Leichtigkeit der Kreditbeschaffung besonders zur Kapitalvergrösserung anregt, zumal doppeltes Kapital in der Regel mehr als doppelten Umsatz ermöglicht. Mit dem Wachstum der Kapitalien pflegt sich jene Kapitalvergrösserungstendenz noch zu erhöhen, so dass sie bei grösseren Kapitalien in der Regel stärker ist als bei kleineren.

In Deutschland war die Konzentration im Bankwesen eine fast elementare Notwendigkeit. Denn schon gleich nach Gründung der ersten Kreditbanken um die Mitte des vorigen Jahrhunderts und dann wieder besonders unmittelbar nach der Reichsgründung traten ausserordentlich starke Kreditanforderungen des Staats und der Städte an sie heran, während zugleich die stürmische Entwicklung des (zunächst privaten) Eisenbahnwesens und die der Industrie, namentlich der Montan-Industrie und damit zusammenhängender Branchen, eine Verstärkung der anfänglich noch recht schwachen Kapital- und Kreditbasis bedingten.

Wir können feststellen, dass es in Deutschland in erster Linie diese grossen industriellen Kredit-Bedürfnisse waren, welche, bei fast gleichzeitigem Auftreten in allen Zweigen des bankmässigen Aktiv-Geschäfts, also im Kontokorrent-, Akzept-, Diskontierungs-, Lombard-, Report- und Kommissions-, sowie im Gründungs-, Umwandlungs-, Emissions- und Konsortialgeschäft, Umfang, Richtung und Schnelligkeit der Banken-Konzentration diktiert haben.

Mit der Erhöhung der Kredit-Bedürfnisse und des Kredit-Verkehrs konnte die Erweiterung der Kredit-Basis nicht gleichen Schritt halten. Denn bei schlechten Zeiten oder ungünstiger Lage und geringer Aufnahmefähigkeit des Marktes oder einem durch geringe Dividenden bedingten niedrigen Kursstand der Bank-Aktien sind junge Aktien schwer oder nicht emittierbar. Ausserdem hat die Möglichkeit der Kapitalerhöhung auch bestimmte technische Grenzen, da bei zu hohen Aktienkapitalien angemessene Dividenden nicht zu erwarten sind.

Hatten somit die Kredit-Bedürfnisse der Industrie und der Kredit-Verkehr der Banken die Tendenz in stärkerem Verhältnis und in rascherem Tempo zuzunehmen, als die eigenen Kapitalien der Banken, so wurde es bald zur Notwendigkeit, behufs Erweiterung der Kredit-Basis fremdes Kapital heranzuziehen, was die ersten deutschen Kreditbanken bis zu den 70er Jahren entweder gar nicht oder nur ungern und in sehr geringem Umfange getan hatten.

Diese Heranziehung fremder Gelder erfolgte in systematischer Weise, und zwar im Wege von Depositenkassen, zuerst seitens der Deutschen Bank, die erst 1870 mit dem bescheidenen Kapital von 15 Millionen M. begründet worden war. Durch jene Heranziehung fremder Gelder wurde aber nicht lediglich die Rentabilität der Bank erhöht, welche den Unterschied zwischen den geringen von ihr zu vergütenden und den höheren Zinsen verdiente, welche sie selbst mit jenen Geldern in ihrem Geschäftsverkehr erzielen konnte. Vielmehr erwiesen sich die Depositenkassen, obwohl sie als solche zunächst keinen Gewinn abzuwerfen pflegen, als besonders zugkräftige Vermittlungsstellen für die Erzielung weiteren Geschäftsverkehrs. Die durch sie der Bank zugeführte, in ihrer Kredit- und Vertrauenswürdigkeit bekannte, anlagebedürftige

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/354&oldid=- (Version vom 12.10.2021)