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2. Die Privatnotenbanken.

Das Ziel der deutschen Notenbankgesetzgebung, d. h. die Ausmerzung der privaten Notenbanken, ist heute, wo von den 32 ehemaligen Privatnotenbanken nur noch 4 existieren, wohl im allgemeinen erreicht. Immerhin besitzen heute noch vier private Banken die Befugnis zur Notenausgabe, und es scheint, als ob diese vier Banken in absehbarer Zeit nicht daran denken auf ihr Privileg zu verzichten. Soll das Reich ihnen gegenüber von dem ihm zustehenden Kündigungsrechte Gebrauch machen? Schwerlich kann zugegeben werden, dass der Wegfall der Privatnotenbanken eine „kaum ausfüllbare Lücke im Verkehrsleben“ hervorrufen würde, wie dies einer der hervorragendsten Bankpraktiker, Stroell, in seiner Schrift über Gegenwart und Zukunft des deutschen Notenbankwesens S. 21 behauptet. Hat das deutsche Wirtschaftsleben die Ausmerzung von 28 Privatnotenbanken überstanden, so ist kaum einzusehen, weshalb gerade die noch bestehenden vier Notenprivilegien eine unbedingte Notwendigkeit für das Wirtschaftsleben bilden sollten. Gewiss sind die Nachteile, die das sogenannte gemischte System mit sich bringt, nicht allzu erheblich. Auch mag die blosse Tatsache, dass die Existenz von vier Privatnotenbanken neben dem Zentralnoteninstitut heute völlig unmotiviert erscheint, dass diese Banken wie ein Schönheitsfehler in der Organisation des deutschen Bankwesens wirken, allein noch keinen zureichenden Grund abgeben, störend in einmal bestehende Verhältnisse einzugreifen. Aber es sprechen doch nicht ungewichtige Gründe für die Aufhebung des Privilegs. Einmal kann ein mit den deutschen Notenverhältnissen nicht vertrauter Ausländer in die wenig angenehme Lage kommen, dass ihm die in Süddeutschland eingetauschten Privatbanknoten jenseits des Mains sogar von öffentlichen Kassen zurückgegeben werden. Vor allem aber ist es die Rücksicht auf die Zentralnotenbank, die eine Aufhebung nahe legt. Die frühere Durchkreuzung der Diskontpolitik der Reichsbank durch Bewilligung des Privatdiskonts ist ja allerdings den Notenbanken seit der Novelle von 1899 abgeschnitten. Aber Kollisionen sind nach wie vor unvermeidlich. Wenn das Reich von der Zentralbank verlangt, dass sie ihre Bankpolitik ohne Rücksicht auf den eigenen Nutzen, nur nach Gesichtspunkten des öffentlichen Wohls einrichtet, so ist es nur folgerichtig, wenn anderen Instituten die Möglichkeit genommen wird, die zum Wohle der Allgemeinheit getroffenen Massnahmen zu durchkreuzen. Dass die Kündigung des Privilegs in der denkbar schonendsten Form zu erfolgen hätte, ist selbstverständlich.





b) Die Banken-Konzentration in Deutschland, ihre Vorteile und Gefahren.
Von
Geh. Justizrat Prof. Dr. Riesser, Berlin.

Literatur:

S. bei Riesser, Die deutschen Grossbanken und ihre Konzentration, 4. Aufl. 1912, S. 489 Anm. 1.

I. Banken-Konzentration in Deutschland.

Die Konzentration der Kapitalien, Kräfte, Betriebe und Unternehmungen ist nicht ein Kind der Neuzeit und nichts dem Bankwesen Eigentümliches. Sie zeigt sich vielmehr überall gleichzeitig mit den ersten Anfängen des industriellen Grossbetriebs, welcher dem Kapitalismus stets Tür und Tor öffnet. Die Konzentration lässt sich verfolgen gelegentlich der Aufsaugung von Kapitalien, Unternehmungen und Arbeitskräften durch die

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/353&oldid=- (Version vom 12.10.2021)