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3. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte hat das Bankgesetz mehrfache Änderungen erfahren. Die Bankgesetznovellen vom 18. Dezember 1889, vom 7. Juni 1899 und vom 1. Juni 1909, sowie das Gesetz betr. die Ausgabe von Reichsbanknoten von 50 und 20 M vom 20. Februar 1906, haben zwar die Grundlagen des Gesetzes unangetastet gelassen, haben aber die Stellung der Reichsbank gegenüber den sogenannten Privatnotenbanken dauernd verstärkt. Den Schlussstein dieser Entwickelung bildet die allerdings mehr theoretisch als praktisch bedeutsame Änderung des § 2 Bank-G. durch die Novelle vom 1. Juni 1909, durch die die Noten der Reichsbank zum gesetzlichen Zahlungsmittel erhoben sind.

Im übrigen hat die moderne wirtschaftliche Entwickelung, die einer mächtigen den Diskont regulierenden Zentralbank nicht entbehren kann, das ihrige dazu beigetragen, um der Reichsbank mehr und mehr ihre überragende Stellung im deutschen Wirtschaftsleben zu schaffen und zu sichern. Gleichzeitig hat dieselbe Entwickelung – freilich unterstützt von den strengen Normen des Bankgesetzes – dazu geführt, dass die früheren 32 Privatnotenbanken heute bis auf 4 verschwunden sind.

II. Die rechtlichen Grundlagen des heutigen Notenbankwesens.

Die Befugnis zur Ausgabe von Banknoten – das sind der Geldfunktion dienende, von einem privaten Rechtssubjekte emittierte Schuldverschreibungen – kann nur durch Reichsgesetz begründet werden (sog. Notenhoheitsrecht). Zurzeit besitzen dieses sog. Notenprivileg ausser der Reichsbank noch die Bayerische Notenbank, die Sächsische Bank, die Württembergische Notenbank und die Badische Bank (die sog. „Privatnotenbanken“). Alle vier Privatnotenbanken stammen übrigens aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bankgesetzes. Das Reich hat – abgesehen natürlich von der Reichsbank – von seiner Befugnis zur Erteilung des Notenprivilegs niemals Gebrauch gemacht. – Weiter bedarf jede Abänderung des Statutes einer Notenbank der Genehmigung des Bundesrats, falls die Abänderung sich auf das Grundkapital, den Reservefonds, den Geschäftskreis, die Deckung der auszugebenden Noten oder die Dauer der Befugnis zur Notenausgabe bezieht. Endlich entspringt dem Notenhoheitsrechte des Reichs seine Befugnis zur Aufsicht und Kontrolle des gesamten Notenbankbetriebes. Für die Reichsbank ist in § 12 Bank-G. ausdrücklich ausgesprochen, dass sie unter Aufsicht und Leitung des Reichs steht. Die dem Reiche zustehende Aufsicht übt das Bankkuratorium aus (Reichskanzler und vier vom Kaiser bezw. Bundesrat ernannte Mitglieder). Die oberste Leitung der Reichsbank liegt in den Händen des Reichskanzlers. Ihm ist das Reichsbankdirektorium als die verwaltende und ausführende und die Reichsbank nach aussen vertretende Behörde unterstellt.

Für die Privatnotenbanken ist Aufsichtsbehörde der Reichskanzler. Er darf jederzeit von den Büchern, Geschäftslokalen, Kassenbeständen der Privatnotenbanken kommissarisch Einsicht nehmen, um sich auf diese Weise von der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überzeugen.

Ein weiterer Ausfluss des Notenhoheitsrechts des Reiches ist das Recht zur Kündigung des Notenprivilegs. Das Reich ist befugt, unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist die Reichsbank am 1. Januar 1921 und, sofern es für diesen Tag von diesem seinem Rechte nicht Gebrauch macht, nach jedesmal weiteren 10 Jahren aufzuheben oder zu verstaatlichen. Zu den gleichen Terminen kann der Bundesrat den Privatnotenbanken das Notenprivileg kündigen.

Die Notenbanken sollen ihren Geschäftsbetrieb unter der ständigen Kontrolle der Öffentlichkeit führen. Aus diesem Grunde sind sie gesetzlich verpflichtet, wöchentlich einen Ausweis über ihren Aktiv- und Passivbestand und spätestens drei Monate nach dem Schlusse jeden Geschäftsjahres eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung zu veröffentlichen. Über die Spezifikation der einzelnen Bilanzposten ist das Erforderliche in der Bekanntmachung des Bundesrats, betreffend die Vorschriften über die von den Notenbanken in der Jahresbilanz gesondert nachzuweisenden Aktiva und Passiva vom 15. Januar 1877 enthalten.

Der Befugnis zur Ausgabe von Banknoten steht als Korrelat eine Beschränkung im Geschäftsbetriebe gegenüber. Im Interesse der Möglichkeit jederzeitiger Noteneinlösung wird einmal eine gewisse Liquidität des Bankvermögens angestrebt, und zweitens werden den Notenbanken

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/347&oldid=- (Version vom 10.10.2021)