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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

und ihrer Arbeitgeber. Diese Vertreter werden von den Vertrauensmännern gewählt und zwar nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Zu den Aufgaben der Rentenausschüsse gehört die Feststellung und unter Umständen auch die Entziehung der Versicherungsleistungen. Sie sind bei der Beschlussfassung hierüber nicht an die Weisungen der Versicherungsanstalt gebunden. Diese letztere errichtet die Rentenausschüsse nach Bedarf mit Genehmigung des Bundesrats, während den Vorsitzenden der Reichskanzler ernennt. Den Rentenausschüssen werden Beisitzer beigegeben, die je zur Hälfte aus den Versicherten und aus ihren Arbeitgebern entnommen werden; sie sind in den vom Gesetz geregelten wichtigeren Fällen zur Beschlussfassung hinzuzuziehen. Ihre Zahl beträgt mindestens 20, die ebenfalls von den Vertrauensmännern gewählt werden. Zu den Aufgaben dieser letzteren gehört ausser der Wahl der Beisitzer für die Rentenausschüsse und für den Verwaltungsrat auch die für die Schiedsgerichte und das Oberschiedsgericht. Der Rentenausschuss kann ihnen bestimmte Obliegenheiten übertragen. Sie sollen auch ohne Auftrag alle ihnen bekannt gewordenen Tatsachen mitteilen, die nach ihrer Ansicht für den Rentenausschuss oder die Reichsversicherungsanstalt wichtig sind. Ihre Zahl beträgt für den Bezirk einer jeden unteren Verwaltungsbehörde mindestens 6, die nach dem Verhältniswahlsystem direkt von den Versicherten und ihren Arbeitgebern gewählt werden und zwar je zur Hälfte aus den Versicherten und den Arbeitgebern. Die Vertrauensmänner, die Versicherungsvertreter bei den Rentenausschüssen, die Mitglieder des Verwaltungsrats und die nichtbeamteten Mitglieder des Direktoriums verwalten ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Für Auslagen, Zeitverlust, entgangenen Arbeitsverdienst erhalten sie Entschädigung nach näherer Vorschrift des Gesetzes. Das Gleiche gilt von den Beisitzern der Schiedsgerichte und des Oberschiedsgerichts. Rechtsprechende Behörden in höherer Instanz sind die Schiedsgerichte und das Oberschiedsgericht mit dem Sitz in Berlin. Die Entscheidungen des Oberschiedsgerichts sind endgültig. Ein durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenes Verfahren kann beim Vorliegen von Gründen wieder aufgehoben werden, die den entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung nachgebildet sind. Die Kosten des Verfahrens in Sachen der Angestelltenversicherung trägt regelmässig die Reichsversicherungsanstalt, nur wenn ein Beteiligter durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung Kosten veranlasst, können diese ihm ganz oder teilweise auferlegt werden. Zur Rechtshilfe sind alle öffentlichen Behörden verpflichtet. Die Vorschriften über die Fristen entsprechen im allgemeinen denen der Zivilprozessordnung bezw. des Bürgerlichen Gesetzbuchs, jedoch mit den durch den Zweck gebotenen Vereinfachungen. Zustellungen, die eine Frist in Lauf setzen, können durch eingeschriebenen Brief geschehen. Gebühren- und stempelfrei sind, soweit nicht im Versicherungsgesetz für Angestellte selbst anders vorgeschrieben, alle Verhandlungen und Urkunden, die bei den nach diesem Gesetze für die Feststellung der Leistungen zuständigen Behörden erforderlich werden, um die Rechtsverhältnisse zwischen der Reichsversicherungsanstalt einerseits und den Arbeitgebern oder Versicherten oder ihren Hinterbliebenen andererseits zu begründen oder abzuwickeln. Das Gleiche gilt für die aussergerichtlichen Verhandlungen und Urkunden dieser Art, sowie für solche privatschriftlichen Vollmachten und amtlichen Bescheinigungen, welche nach diesem Gesetze zum Ausweis und zu Nachweisungen erforderlich werden. Die gesetzmässige Durchführung der Vorschriften des Gesetzes wird durch eine Reihe von Strafbestimmungen gesichert.

7. Es sind neben und anstelle der gesetzlichen Angestelltenversicherung folgende Einrichtungen zugelassen: 1. Zuschusskassen, 2. Ersatzkassen, 3. öffentlich-rechtliche Pensionseinrichtungen, 4. Versicherungsverträge mit Lebensversicherungsunternehmungen. Auf diese kann hier nur verwiesen werden.

8. Im Rahmen dieser die äussersten Grundzüge der rechtlichen Ordnung wiedergebenden nüchternen Darstellung ist es nicht möglich, auf die zahllosen Schwierigkeiten in der praktischen Ausführung, auf die Bedenken und Unstimmigkeiten, welche zum Teil mit der allzuschnellen Erledigung des Gesetzes im Reichstage zusammenhängen, einzugehen. Es sei nur darauf verwiesen, dass die RVO. mit zahlreichen Bestimmungen zum Muster gedient hat und insoweit eine weitgehende Uebereinstimmung erzielt ist. Die Schwierigkeiten, welche sich auf die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vorhandenen privaten Pensionseinrichtungen bezogen, hat das Gesetz zu überwinden nicht vermocht.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/344&oldid=- (Version vom 9.10.2021)