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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Ende. Deutschland kennt ebenso wie England nur Postdampfer-Subventionen, und von Belang sind nur die für die Verbindung nach Ostafrika an die Deutsche Ost-Afrika-Linie und für die Verbindung nach Australien und Ostasien an den Norddeutschen Lloyd bezahlten, zusammen etwa 7 Millionen Mark. Kleinere Beträge werden für lokale Postverbindungen im fernen Osten bezahlt. Jene grösseren Subventionen sind bisher damit motiviert worden, dass ihnen besondere Leistungen gegenüber stehen, u. a. in Gestalt eines besonders hochwertigen Dampfermaterials und zahlreicherer Abfahrten, als sie einer auf die eigene Kraft allein angewiesenen Linie möglich gewesen wären. Die Reichsregierung hat diese höheren Ansprüche früher gestellt, um im Interesse unserer Kolonien und der Entwicklung unseres Handels besonders leistungsfähige Verbindungen zu haben, die mit den gleichfalls subventionierten ausländischen konkurrieren sollten. Seither haben sich die Verhältnisse allerdings sehr wesentlich verschoben, sodass heute ein Teil der deutschen Schiffahrt bereits auf dem Standpunkt steht, dass die Subventionen nicht[WS 1] mehr zeitgemäss seien. Dieser Ansicht ist z. B. auch in der letzten Generalversammlung der Deutschen Ost-Afrika-Linie Ausdruck gegeben worden. Ferner hat die Hamburg-Amerika Linie erklärt, dass sie ohne Subvention einen Passagierdampferdienst nach Ostasien einrichten werde. Auf anderen Gebieten ausser den oben erwähnten erhält die deutsche Schiffahrt keine staatliche Unterstützung.

Fälschlich hat man im Auslande oft das Gegenteil behauptet, und zum Beweise dieser Behauptungen auch die deutsche Eisenbahnpolitik herangezogen, weil sie in Gestalt des „Deutschen Levantetarif“ und des „Deutschen Ostafrikatarif“, ferner durch die „Ausfuhrtarife zur Ausfuhr über See nach ausserdeutschen Ländern“ besondere Massnahmen zugunsten der deutschen Schifffahrt geschaffen habe. Dabei übersieht man, dass die beiden ersten Tarife dadurch zustande gekommen sind, dass sowohl die beiden beteiligten Reedereien wie die Eisenbahn besonders ermässigte Frachtsätze normiert und diese kombiniert haben, um die deutsche Ausfuhr nach jenen Gebieten, nach denen sie im Vergleich zu der anderer Länder besonders ungünstig gestellt war, zu fördern. Nur mit sehr billigen Frachten kann die deutsche Ausfuhr nach der Levante mit der, die von Triest, Genua, Marseille usw. ausgeht, überhaupt konkurrieren. Ebenso sind die allgemeinen Ausfuhrtarife, deren Benutzung übrigens nicht an die deutsche Flagge geknüpft ist und die auch nach den Rheinmündungshäfen existieren, im Interesse der Ausfuhrindustrie und des Ausfuhrhandels geschaffen, weil unsere Fabriken vielfach einen Weg von Hunderten von Kilometern bis zum Seehafen haben, während die englischen sehr viel näher der Küste oder direkt am Meere liegen und dadurch enorm begünstigt sind.

IV. Schiffbau.

Der deutsche Eisenschiffbau ist unter den grossen deutschen Industrien eine der jüngsten. Er hat sich, ebenso wie die deutsche Schiffahrt, eigentlich erst im Verlauf der letzten 30 Jahre entwickelt, als die Ausgestaltung der deutschen Kriegs- und Handelsflotte ihm ein ständiges Arbeitsquantum und damit die Möglichkeit gab, sich einen ausreichenden geschulten Arbeiterstamm heranzuziehen. Er ist von der Entwicklung unserer Schiffahrt auch stark abhängig geblieben, weil es ihm bisher noch nicht möglich war, im Wettbewerb mit der mächtigen englischen Konkurrenz Aufträge vom Auslande dauernd in grösserem Umfange zu erhalten, umsoweniger, da bei der Vergebung solcher Aufträge häufig politische Beziehungen und finanzielle Hilfeleistungen mehr ausschlaggebend sind als Preis und Qualität der Lieferung. Man kann wohl sagen, dass der deutsche Schiffbau im allgemeinen am Vorbilde des englischen gross geworden ist, dass er es verstanden hat, sich an diesem Vorbilde auf eine Höhe emporzuarbeiten, die Lehrer und Schüler zugleich Ehre macht. Wenn wir heute konstatieren, dass auf deutschen Werften Kriegsschiffe gebaut werden, die, soweit ein Laie das beurteilen kann, keinen ausländischen nachstehen, und wenn für die Handelsflotte drei Schiffe gebaut werden, wie es gegenwärtig in Hamburg der Fall ist, die allem, was überhaupt auf dem Ozean schwimmt, zum mindesten gleichkommen, wenn nicht es übertreffen werden, so spricht das wohl am besten für die Leistungsfähigkeit unseres Schiffbaus. Wie sehr der Aufschwung der deutschen Schiffbauindustrie unsere Schiffahrt vom Auslande,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wort fehlt in Vorlage, wurde sinngemäß ergänzt
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/312&oldid=- (Version vom 3.10.2021)