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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Aber auch den landwirtschafttreibenden und den anderen Bevölkerungskreisen wird aus der Verbilligung der Frachtkosten Nutzen erwachsen. Der Schiffahrtskommissär Hoffmann in Heilbronn hat den unmittelbar für Württemberg entstehenden Frachtgewinn auf jährlich 4 Millionen Mark berechnet. Neben der den dringendsten Wünschen Württembergs abhelfenden Kanalisierung des Neckars bis Heilbronn, deren Verwirklichung in die nahe Zukunft gerückt zu sein scheint, bestehen in Württemberg aber noch viel weitreichendere Pläne. Zunächst ist die Weiterführung der Kanalisierung des Neckars bis Cannstatt und Esslingen d. h. bis in die Nähe der Landeshauptstadt beabsichtigt. Sodann aber soll der Neckarschiffahrtsweg durch einen Kanal zur Donau bei Lauingen rund 30 km unterhalb Ulm und von hier im Donautal weiter bis Ulm fortgesetzt werden. Ein weiterer Kanal ist von Ulm durch das schwäbische Oberland nach Friedrichshafen am Bodensee geplant.[1]

Die Verwirklichung dieser weitschauenden Entwürfe, nach denen Württemberg in seiner ganzen Ausdehnung von einem Grossschiffahrtsweg durchzogen sein würde, dürfte indessen noch in weiterer Ferne liegen, da die Kosten der Durchführung der gesamten Pläne ganz gewaltige sein und bei der Wahl reichlicher Schleusenabmessungen kaum wesentlich hinter 300 Millionen Mark zurückbleiben würden.

In Bayern ist der Wunsch nach Verbesserung der Verkehrsverhältnisse durch leistungsfähige Verbindungen zu dem deutschen Wasserstrassennetz und dem Meer nicht weniger lebhaft als in Württemberg.

Die Bestrebungen auf Schaffung bayrischer Grossschiffahrtswege haben in dem König Ludwig III. von Bayern einen zielbewussten Förderer gefunden, der keine Gelegenheit vorbeigehen lässt, um von grossen Gesichtspunkten aus mit dem Gewicht seiner Persönlichkeit für die Verwirklichung eines Grossschiffahrtsnetzes in Bayern einzutreten.

Genügt doch auch der vor 60 Jahren erbaute Main-Donaukanal, der vollständig veraltet ist, bei seinen kleinen Abmessungen in keiner Weise mehr den heutigen Verkehrsansprüchen. Es ist daher beabsichtigt, an seiner Stelle einen neuen leistungsfähigen Schiffahrtsweg von der Donau zum Rhein zu erbauen.[2] An diesen Schiffahrtsweg soll München durch einen besonderen Kanal angeschlossen werden. Eine Entscheidung über die Linienführung dieser grossen bayerischen Wasserstrasse ist noch nicht gefallen. Der ursprüngliche (Faber’sche) Plan sieht die Verbindung der Donau bei Steppberg unterhalb der Lechmündung über Nürnberg nach Bamberg und von hier weiter durch den kanalisierten Main zum Rhein vor und besitzt wegen der scharfen Krümmungen des Maines von der Donau zum Rhein eine Länge von über 550 km. Das spätere (Hensel’sche) Projekt schneidet die starken Windungen des Maines ab, indem der Kanal von der Donau bei Steppberg nach Wertheim am Main geführt ist, was eine Abkürzung des Schiffahrtsweges um 125 km bedeutet. Endlich hat König Ludwig III. von Bayern den Vorschlag gemacht, unter vollständiger Ausschaltung des Maines einen Kanal von Steppberg an der Donau unmittelbar nach Mannheim zu bauen, wodurch eine weitere Abkürzung des Weges zum Rhein um rund 30 km erzielt werden würde.[3] Jede dieser Wasserstrassen würde für Bayern eine ähnliche Bedeutung besitzen, wie der kanalisierte Neckar für Württemberg. Eine solche grosse bayrische Wasserstrasse wird in Bayern mit Recht als ein dringendes Bedürfnis betrachtet. Daneben wird allerdings für die Zukunft auch die Verbindung des Maines durch das Werratal zur Weser, und eine weitere durch das Saaletal zur Elbe angestrebt. Für ersteren Schiffahrtsweg liegt bereits ein Entwurf des Baurat Contag in Berlin vor, durch den die technische Durchführbarkeit nachgewiesen ist. Diese Kanäle, welche Bayern an die deutschen Nordseehäfen anschliessen würden, werden aber jedenfalls erst nach der Verwirklichung des Donau-Rheinweges ernstlich in Frage kommen.

Die Donau-Rheinverbindung durch Bayern würde, wie der besprochene Schiffahrtsweg über den Neckar zur Donau, bei entsprechendem Ausbau der Donauwasserstrasse zugleich einen


  1. Gugenhan und Eberhardt. Die württembergischen Grossschiffahrtspläne – Stuttgart 1908. S. a. Marquard. Der wirtschaftliche Wert von Wasserstrassen in Württemberg – Stuttgart 1909.
  2. Steller. Der wirtschaftliche Wert einer bayerischen Grossschiffahrtsstrasse 1908.
  3. Zeitschrift für die gesamte Wasserwirtschaft 1911 S. 297.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/299&oldid=- (Version vom 2.10.2021)