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günstigen Wasserständen an Strassburg vorbei stromaufwärts bis Basel vor, das erst vor wenigen Jahren von dem ersten Schleppzug erreicht wurde und im Jahre 1913 nach Schätzung des Ingenieurs Gelpke bereits einen Güterumschlag auf dem Rhein von etwa 100 000 Tonnen erreichen dürfte. Wenn diese Verkehrsmenge auch noch klein ist, so muss doch bei ihrer Bewertung berücksichtigt werden, dass seither noch so gut wie keine Verbesserungen der Rheinwasserstrasse oberhalb Strassburg im Interesse der Schiffahrt[1] ausgeführt worden sind, dass im Gegenteil heute die Schiffahrt auf dieser Strecke fast noch mehr als durch die Verhältnisse des Strombettes durch künstliche, in Gestalt der Brückenbauten geschaffene Hindernisse erschwert wird. Der Umbau der festen Kehler Rheinbrücke und verschiedener Schiffsbrücken ist im Interesse der unbehinderten Weiterführung der Schiffahrt nach Basel dringend erforderlich und wird sich auch ohne unüberwindliche Schwierigkeiten durchführen lassen. Schwerer wird es sein, die natürliche Ungunst dieser Stromstrecke zu bekämpfen, die nicht nur in der bei kleinen Wasserständen unzureichenden Tiefe der Fahrrinne, sondern auch in der bei dem starken Gefälle sehr reissenden Strömung besteht. Während die Wasserführung des Rheines genügen dürfte, um nach Durchführung einer Niederwasserregulierung fast das ganze Jahr hindurch einen Schiffahrtsweg von ausreichender Tiefe zu schaffen, wird die durch einen solchen Ausbau nicht verminderte Strömung wegen des grossen Kohlenverbrauches der Schlepper bei der Bergfahrt den Verkehr dauernd stark belasten. Ein günstiger Umstand ist es daher, dass gerade für den das stärkste Gefälle aufweisenden oberen Teil dieser Strecke die Anlage grosser Kraftwerke beabsichtigt wird, die dem Rhein zwar einen Teil seines Wassers entziehen, die aber das entnommene Wasser auf lange Flussstrecken in Kanälen von grossen Abmessungen neben dem Rheinbett herführen und dabei vorzügliche Schiffahrtswege abgeben werden. Das bei den Kraftwerken vereinigte Gefälle wird leicht durch Schleusen überwunden werden können. Solche Kraftwerke sind bereits für die ganze Flussstrecke von Basel abwärts bis Strassburg geplant. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass sie in unabsehbarer Zeit auf dieser ganzen Strecke auch zur Ausführung kommen werden. Da aber die Konzession für die Wasserentnahme aus dem Flussbett nicht erteilt wird, ohne dass die Ableitungskanäle für die Grosschiffahrt eingerichtet, d. h. mit Schleusen in ausreichenden Abmessungen versehen werden, wird voraussichtlich die Schiffahrt auf der Strecke Strassburg-Basel im Lauf der Zeit immer mehr und endlich ganz auf diese Kanäle übergehen, soweit nicht für die Talfahrt bei genügend hohen Wasserständen der Weg im Flussbett vorgezogen werden sollte. Dadurch wird aber für die Strecke Strassburg-Basel ein Schiffahrtsweg geschaffen werden, welcher der unterhalb Strassburg vorhandenen Wasserstrasse auf dem freien Rhein wenigstens gleichwertig ist.

Aber auch in Basel darf die Grossschiffahrt auf dem Rhein auf die Dauer keinesfalls Halt machen. Ihr natürlicher Endpunkt ist vielmehr im Bodensee zu suchen, dessen ausgedehnte Wasserflächen sich für diesen Zweck hervorragend eignen, zumal die Ufer dieses grossen natürlichen Hafenbeckens sich auf nicht weniger als 5 Staaten – die Schweiz, Österreich, Bayern, Württemberg und Baden – verteilen, die alle bereits heute am Bodensee mit ihrem Eisenbahnnetz verbundene Hafenanlagen besitzen.

Die Bestrebungen, die Rheinschiffahrt aufwärts bis zum Bodensee zu führen, haben denn auch in den letzten Jahren eine greifbare Gestalt angenommen. Die Interessenten haben sich zu grossen Verbänden zusammengeschlossen, und diese sowie die Regierungen der beteiligten Staaten beschäftigen sich mit der Frage der Durchführbarkeit. An der Spitze der Bewegung steht die von dem Geheimen Kommerzienrat Stromeyer in Konstanz geleitete „Internationale Vereinigung zur Förderung der Schiffbarmachung des Rheines bis zum Bodensee“ in Konstanz und ihre selbständige Sektion, der „Nordostschweizerische Schiffahrtsverband“. Beide Vereinigungen haben zusammen durch den eifrigen Vorkämpfer der Schiffahrtsbestrebungen auf dem Oberrhein Ingenieur R. Gelpke einen generellen Vorentwurf für den Schiffahrtsweg ausarbeiten lassen[2] und einen internationalen Wettbewerb zur Gewinnung eines durchgearbeiteten Entwurfes ausgeschrieben.


  1. Die Regulierung dieser Strecke erfolgte im Interesse der Landeskultur, sie hat allerdings durch die Schaffung eines geschlossenen Flusslaufes mit unveränderlichen Ufern auch der Schiffahrt wesentlich genutzt.
  2. R. Gelpke. Die Schiffbarmachung des Badisch-Schweizerischen Rheines. Goldach 1909.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/296&oldid=- (Version vom 2.10.2021)