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48. Abschnitt.


a) Norddeutsche Wasserstrassen.
Von
Dr.-Ing. Otto Blum,
o. Professor an der Technischen Hochschule Hannover.


Das Netz der Wasserstrassen Norddeutschlands erhält seine charakteristischsten Züge durch den Verlauf der vier Ströme Rhein, Weser, Elbe, Oder, die sämtlich von Südost nach Nordwest fliessen und damit diese Verkehrsrichtung gut bedienen. In diesem Zusammenhang bleiben Ems und Weichsel zunächst ungenannt, weil sie keine selbständige Bedeutung haben. Von wesentlicher Wichtigkeit ist ferner, dass durch Rhein, Elbe und Oder auch Süddeutschland und die Schweiz und Böhmen-Oesterreich mit Norddeutschland und mit deutschen Seehäfen verknüpft werden. Damit stärken diese Ströme die Nord- und Ostsee im Gegensatz zum Mittelländischen Meer, denn der Wall der Alpen drängt Nordösterreich, Nord-Ungarn und den wirtschaftlich wichtigsten Teil der Schweiz vom Mittelmeer ab, während die deutschen Ströme diese Länder mit den deutschen Meeren verbinden.

Bei dem Verlauf der Ströme von SSO nach NWN könnte der Gedanke nahe liegen, dass der Ost-West-Verkehr erschwert sei. Das ist aber nur in einem kleinen Gebiet der Fall, nämlich in dem Hügelland, das etwa zwischen Köln und Halle liegt. Im übrigen legt der Charakter Norddeutschlands als einer grossen Tiefebene dem Verkehr nirgendwo Fesseln auf, die nicht mit geringen Mitteln gesprengt werden könnten. Zunächst ist für den Ost-Westverkehr durch die Nord- und Ostsee eine denkbar günstige Wasserverbindung gegeben, deren Wert durch den Nord-Ostsee-Kanal noch gesteigert wird. Sodann sind im Binnenland mehrere ost-westlich gerichtete Wasserläufe vorhanden: die Warthe-Netze, die Havel-Spree, die Mosel-Lahn, der Main und die Donau. Von diesen sind bisher allerdings noch nicht alle als Verkehrsstrassen anzusprechen, dagegen ist durch künstliche Wasserstrassen eine vollständige Ost-West-Durchdringung von der Oder bis zum Rhein vorhanden, bezw. im Bau mit Ausnahme der Strecke Hannover-Elbe. Bei der ganzen Betrachtung der Wasserstrassen kommt es aber gar nicht so sehr darauf an, welche durchgehenden Verbindungen vorhanden sind, als vielmehr darauf, in welcher Weise die wirtschaftlichen Zentren (des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft) untereinander und mit dem Meer verknüpft sind.

Die einzelnen Ströme können in ihrer Verkehrsbedeutung etwa wie folgt skizziert werden:

Die Weichsel fliesst nur auf eine kurze Strecke durch deutsches Gebiet, in Polen geschieht leider nichts für ihre Schiffbarmachung, sodass sie nur von Bedeutung für den Holz- und Getreideverkehr ist. Ihr Seehafen Danzig leidet sehr unter dem niedrigen Wirtschaftsstand Polens.

Die Oder zeigt eine Merkwürdigkeit: Ihr Oberlauf ist für die Schiffahrt wichtiger als der Unterlauf. Begründet ist das in der Lage des Oberschlesischen Kohlenbeckens, das gewaltige Kohlenmengen in Kosel der Oder zuführt, diese aber nicht nach Stettin sendet (denn dort herrscht die englische Kohle), sondern durch den Oder-Spree-Kanal nach dem grossen Zentrum Berlin. Damit erhält die Oder eine zweite Mündung, nämlich durch Spree und Havel zur Elbe und nach Hamburg. Das schwächt Stettin und die Ostsee und stärkt Hamburg und die Nordsee, die an sich schon die stärkeren sind. Man soll diese Kräfte aber nicht überschätzen, denn der Durchgangsverkehr über Berlin hinaus ist verhältnismässig recht schwach. – Zurzeit erhält der Unterlauf der Oder durch den sog. Grossschiffahrtsweg Berlin-Stettin eine künstliche Verlängerung, die nach Berlin, also auch wieder in den Machtbereich der Elbe führt. Dieser Weg wird Stettin stärken. Von den Nebenflüssen der Oder führen Netze und Warthe vor allem Holz herab; die Verbindung Oder-Weichsel

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/290&oldid=- (Version vom 2.10.2021)