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Bereiche der preussisch-hessischen Eisenbahn-Gemeinschaft 30 361, immerhin einen geringen Prozentsatz des wirklichen Bedarfes, der durch Wohnungsgeldzuschüsse ersetzt wird. (56 907 208 M., die 30 361 Wohnungen ersetzten einen Wohnungsgeldzuschuss von 8 146 408 also 1/7.) Vor allem die Unterbringung der gering besoldeten Beamten und der Arbeiter in geeigneten Wohnungen lässt sich (namentlich in Preussen) der Staat durch Bereitstellung von Mitteln zur Förderung des Kleinwohnungsbaues für diese Kategorien von Angestellten angelegen sein.

VI. Kleinbahnwesen.

§ 9. Eisenbahnen, die wegen ihrer geringen Bedeutung für den allgemeinen Eisenbahnverkehr den für Haupt- und Nebenbahnen geltenden Bestimmungen nicht unterworfen sind,[1] werden als Kleinbahnen bezeichnet. Für sie bestehen andere Rechtsnormen als für die Haupt- und Nebenbahnen.[2] Man unterscheidet 1. nebenbahnähnliche Kleinbahnen mit Maschinenbetrieb (d. h. solche, die über den Strassenverkehr eines Stadtgebiets hinaus den Personen- und Güterverkehr von Ort zu Ort vermitteln und sich nach Ausdehnung, Anlage und Einrichtung den sog. Nebenbahnen nähern); 2. städtische Strassenbahnen mit Maschinenbetrieb und 3. sonstige Kleinbahnen (ohne Maschinen oder mechanischen Betrieb). Der Natur dieser auf den lokalen Verkehr beschränkten Bahnen entsprechend, gibt es keine einheitliche reichsrechtliche Regelung; in Preussen gilt das Gesetz vom 28. Juli 1892, dessen grundlegende Vorschriften in die landesgesetzliche Regelung zahlreicher anderer Bundesstaaten übergegangen sind. Unter der Herrschaft dieser Vorschriften ist die Entwicklung des Kleinbahnwesens in den letzten 20 Jahren sehr erfreulich gewesen; die derzeitige Ausdehnung ist ersichtlich aus dem Ergänzungsheft 1911 der Ztschr. für Kleinbahnen. Reiches Material über die Entwicklung in Preussen enthalten die regelmässig dem Landtage zugehenden Denkschriften.[3]

Die Kleinbahnen dienen dem lokalen Verkehr, sie werden daher zumeist namentlich in Preussen nicht von der Staatseisenbahnverwaltung betrieben, sondern den lokalen Interessenten überlassen. In Preussen sind Träger solcher Kleinbahn-Unternehmungen im Sinne von Ziffer 1 sehr häufig die Kreise, sonst Gesellschaften, bei denen die Kreise mit Gesellschaftsanteilen beteiligt sind, oder Private. Üblich sind Beihilfen des Staates und der Provinzen. Nähere Nachweisungen hierüber geben die oben erwähnten Denkschriften.

Es kommen Kleinbahnen mit verschiedener Spurweite vor: Normalspur (1,435 m) – 1,00 m; 0,75 m; 0,60 m; vereinzelt auch 0,90 m. Je geringer die Spurweite, desto grösser die Anpassungsfähigkeit der Bahn an das Gelände, desto billiger die Baukosten, dafür andrerseits bei der Normalspur der Vorteil direkter Überführung der Güterwagen auf die Hauptbahn und dadurch Ersparung der Umladekosten. Bei Kleinbahnen in landwirtschaftlichen Gegenden sind die geringeren Spurweiten beliebt, da diese zumeist bei den Feldbahnen üblich sind und es daher möglich ist, die Feldbahn unmittelbar an die Kleinbahn anzuschliessen und die Kleinbahnwagen zur Beladung direkt aufs Feld zu bringen.

Für die Hauptbahnen bedeuten die Kleinbahnen die Saugadern, die den Verkehr aus den nicht an den Hauptlinien belegenen Gegenden aufsaugen und ihnen zuführen. Die wirtschaftliche Erschliessung solcher für den Bau von Haupt- und Nebenbahnen nicht geeigneter Gebiete liegt im Staatsinteresse, daher sind auch Beihilfen aus Staats- oder Provinzial-Mitteln gerechtfertigt.

Hinsichtlich des Anschlusses von Kleinbahnen an die Staatsbahnen herrscht im allgemeinen grosses Entgegenkommen. Wagenübergang (der naturgemäss nur bei normalspurigen Kleinbahnen möglich) wird meist davon abhängig gemacht, dass die Kleinbahn eine ihrem Verkehr entsprechende Anzahl G.-Wagen beschafft und in den Staatsbahnwagenpark einstellt. Direkte Tarife werden in Preussen mit der Staatsbahn nicht eingerichtet, dagegen Vergünstigungen bei der Abfertigungsgebühr und der Überführung von Wagenladungen und Stückgut gewährt.




  1. Preuss. Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlussbahnen vom 28. Juli 1892 (G. S. 1892. 8. 225 ff.).
  2. Gleim, Handbuch d. St. 2. Aufl. V S. 91ff. Wächter, Die Kleinbahnen in Preussen. Eger, Das Gesetz über die Kleinbahnen, 3. Aufl. 1913. Eger, Die Entwicklung der Kl. in Preussen (Zt. f. Kleinbahnen 1904 S. 1–37). Himbeck-Bandekow. Wie baut und betreibt man Kleinbahnen? 1906.
  3. Eine vortreffliche Übersicht über den jetzigen Stand des Kl.-Bahnwesens in Preussen im Immediatbericht Nr. 118–127. Das Kleinbahnnetz beträgt im Deutschen Reich an Strassenbahnen 4654,9 km, davon in Preussen 3419,3, an nebenbahnähnlichen Kleinbahnen 10 463,9, davon in Preussen 10 154. (Reichsstatistik 1913 S. 126.)
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/289&oldid=- (Version vom 1.10.2021)