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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

der Betriebssicherheit zu dem Erfordernis einer besonderen Schulung und Ausbildung der mit dem Betriebe unmittelbar befassten Beamten. Die über die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Betriebes erlassenen Vorschriften betreffen sowohl Staats-, wie Privatbahnen, weil ja ersichtlich hier (anders als bei den vorher erwähnten Vorschriften über die politische Tätigkeit der Beamten im staatsfeindlichen Sinne) der Staat nicht nur um seines Bestandes, sondern um der Sicherheit jedes Benutzers der Eisenbahn willen einzugreifen hat.

Unter Betriebsbeamten versteht die Bau- und Betriebsordnung nachstehende Personen: 1. die die Unterhaltung und den Betrieb der Bahn leitenden und beaufsichtigenden Beamten; 2. Bahn- und Betriebskontrolleure; 3. Stationsvorsteher, Aufseher, Fahrdienstleiter; 4. Bahn- und Telegraphenmeister; 5. Rottenführer; 6. Weichensteller; 7. Block-, Bahn- und Schrankenwärter; 8. die Zugbegleitungsbeamten; 9. Betriebswerkmeister; 10. Lokomotivführer und Heizer; 11. Rangier- und Wagenmeister. Es gelten für sie, mag es sich um Beamte der Staats- oder Privatbahnen handeln, die besonderen Bestimmungen über die Befähigung von Eisenbahnbetriebs- und Polizeibeamten vom 3. April 1908 (RGBl. S. 134), abgeändert 10. 7. 11 RGBl. 475. Die Betriebsbeamten müssen bei der ersten Zulassung zur selbständigen Wahrnehmung des Dienstes mindestens 21 Jahre alt sein und dürfen das 40. Lebensjahr nicht überschritten haben. Ausnahmen sind zugelassen bei Eisenbahninvaliden, die als Bahnsteigschaffner, Schrankenwärter, Wächter und Pförtner auch später zugelassen werden können. Ebenso können über 40 Jahre alte Frauen als Schranken- und Haltepunktwärter angestellt werden.

Die Betriebsbeamten müssen unbescholten sein, die für den Dienst nötige körperliche Rüstigkeit und Gewandtheit und ein ausreichendes Hör-, Seh- und Farbenunterscheidungsvermögen besitzen. Sie müssen fertig lesen, schreiben und mit dem Fernsprecher umgehen können. Mit den Dienstvorschriften müssen sie vertraut sein.

Die Vorschriften gelten für das ganze Reich. In die gleiche Klasse der Vorschriften gehören auch die gleichfalls einheitlich geregelten Bestimmungen über die planmässige Dienst- und Ruhezeit der Eisenbahnbetriebsbeamten, die auf Vereinbarungen der Bundesregierungen beruhen und auf alle Beamten Anwendung finden, auf welche sich die Bestimmungen über die Befähigung als Eisenbahnbetriebsbeamter erstrecken. Nach diesen Bestimmungen soll der Dienst der Stationsbeamten (Vorsteher, Aufseher, Assistenten usw.) täglich 8 Stunden bei angestrengtem Dienst, sonst 12 Stunden nicht überschreiten. Das Bahnbewachungspersonal darf 14 Stunden hintereinander beschäftigt werden, das Zugbegleitungspersonal im monatlichen Durchschnitt täglich 11 Stunden (einzelne Dienstschicht nicht mehr als 16 Stunden), Lokomotivpersonal durchschnittlich 10, im einzelnen nicht mehr als 16 Stunden. Die Länge der Ruhepausen ist für die einzelnen Kategorien entsprechend geregelt. Jedenfalls müssen den Beamten mindestens zwei Ruhetage (je 24 zusammenliegende Stunden) im Monat gewährt werden. Diese Vorschriften fallen zum gewissen Teil gleichzeitig in das Gebiet der Fürsorge für die Bahnangestellten, auf die sich ebensowohl aus sozialem Empfinden heraus wie aus der Erwägung der Notwendigkeit der Erhaltung eines arbeitsfreudigen, zufriedenen Personals die Aufgaben der Eisenbahnverwaltungen in besonders hohem Grade richten muss. Abgesehen von der reichsrechtlich geordneten Fürsorge (sozialpolitische Gesetzgebung), die zum Teile, wenigstens im Bereiche der preussisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft, eine besondere Ausgestaltung (Arbeiterpensionskassen) als besonders zugelassene Einrichtungen der Invalidenversicherung mit besonderen Veranstaltungen für die Gewährung von Heilstättenpflege erfahren hat, ist auch anderweit für die Beamten und Arbeiter Fürsorge getroffen. Hierher gehören Beiträge an Wohlfahrtsvereine wie z. B. zu Spar- und Darlehnskassen, Vorschusskassen, zu Einrichtungen der Kleinkinderfürsorge und Krankenpflege an kleinen Orten mit zahlreichem Eisenbahnpersonal (Aufwand im Jahre 1911 109 250 Mark) und Beiträge zu Genesungsheimen der Beamten und Arbeitervereine (Aufwand 1911: 50 000 Mark). Einschliesslich der gesetzlichen Pensionen, Witwen- und Waisengelder sind in Preussen-Hessen im Jahre 1911 102 410 392 M. für Wohlfahrtszwecke ausgegeben worden.[1] Nicht eingerechnet sind hierbei die Einrichtungen für das Beamtenwohnungswesen. In dieser Beziehung geht das Bestreben dahin, im Interesse der Beamten Dienstwohnungen anzuweisen. Im Jahre 1911 betrug die Zahl der Dienstwohnungen der Beamten im


  1. Wohlfahrtseinrichtungen im Bereiche der Pr. Hess. Staatsbahnen, Eisenb.-Archiv 1913, S. 54 ff. sowie lmmediatbericht S. 40 ff.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/288&oldid=- (Version vom 5.6.2022)