Seite:Handbuch der Politik Band 2.pdf/268

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

oder niedergehenden Phase der Entwickelung befinden, werden verschiedene handelspolitische Massnahmen angezeigt sein: Eine schutzzöllnerische, neumerkantilistische Handelspolitik wird voraussichtlich dann auf Erfolg rechnen können, wenn sie als Glied eines politischen, geistigen, technisch-wirtschaftlichen Aufschwunges einsetzt. Eine freiere Handelspolitik erscheint dann angebracht, wenn die Industrie und die Welthandelsbeziehungen eines Staates so hoch entwickelt sind, dass er sich den anderen Nationen gegenüber gleich oder überlegen fühlt, wenn er des ferneren durch den freien Verkehr weniger wirtschaftliche Abhängigkeit als anspornenden Wettbewerb zu erwarten hat, wenn er für den Überschuss seiner hochentwickelten Produktion grosser auswärtiger Absatzgebiete bedarf und andererseits auf die Versorgung gewisser wichtiger Waren von aussen angewiesen ist.

Die heutige Ära der schutzzöllnerischen, imperialistischen Handelspolitik wird wohl noch geraume Zeit andauern. Erst dann, wenn sich die grossen Kulturstaaten auf annährend gleicher wirtschaftlicher Entwickelungsstufe befinden werden, wenn sich ihre Staatssysteme befestigt, ihre Absatzverhältnisse, ihre Einflussphäre und ihr Verhältnis zu ihren Kolonien geregelt und geklärt haben werden, kann vielleicht ein beruhigter Zustand internationaler Beziehungen, eine mehr freihändlerische Epoche der Welthandelspolitik anbrechen. Jedenfalls setzt aber heute schon eine gute Handelspolitik im wachsenden Masse voraus, dass die einzelnen Nationen nicht kurzsichtig nur das nächstliegende Eigeninteresse wahrzunehmen suchen, sondern sich als Glieder der grossen Staatengesellschaft fühlen, aus deren friedlichem Verkehr auch die einzelne Volkswirtschaft beträchtlichen Nutzen ziehen kann. –





46. Abschnitt.


Weltwirtschaft und äussere Wirtschaftspolitik.
Von
Dr. Bernhard Harms,
o. Professor der Staatswissenschaften an der Universität Kiel.


Literatur:

Wagner, A.: Agrar- und Industriestaat. Jena 1902.
Pohle, Deutschland am Scheidewege 1902.
Dix, A.: Deutschland auf den Hochstrassen des Weltwirtschaftsverkehrs. Jena 1901.
Arndt, P.: Deutschlands Stellung in der Weltwirtschaft. Leipzig 1908.
Kobatsch, R. v.: Internationale Wirtschaftspolitik. Wien 1907.
Dietzel, H.: Weltwirtschaft und Volkswirtschaft. Dresden 1900.
Schmoller, G., Sering, M., Wagner, A.: Handels- und Machtpolitik, I. Band. Stuttgart 1900.
v. Halle., E.: Die deutsche Volkswirtschaft an der Jahrhundertwende. Berlin 1902.
Neufeld, A.: Die führenden National-Exportämter. Berlin 1905.
v. Waltershausen. A.: Das volkswirtschaftliche System der Kapitalanlage im Auslande. Berlin 1907.
Harms, B.: Das staatswissenschaftliche Institut an der Universität Kiel. Jena 1911.
Harms, B.: Weltwirtschaftliche Aufgaben der deutschen Verwaltungspolitik. Jena 1911.
Harms. B.: Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, Versuch der Begründung einer Weltwirtschaftslehre. Jena 1912.
Harms, B., Kaiser Wilhelm II. und die Triebkräfte des neudeutschen Sozial- und Wirtschaftslebens. Jena 1913.

Unter Weltwirtschaft verstehen wir den Inbegriff der durch hochentwickeltes Verkehrswesen ermöglichten und durch staatliche internationale Verträge sowohl geregelten wie geförderten Beziehungen und deren Wechselwirkungen zwischen den Einzelwirtschaften der Erde.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/268&oldid=- (Version vom 26.9.2021)